Rn 9
Sehen Schlichtungsgesetze der Länder ein obligatorisches Güteverfahren vor, muss das Schlichtungsverfahren der Klageerhebung zwingend vorausgehen. Wird ohne vorherigen Einigungsversuch vor den Gerichten des Landes Klage erhoben, ist sie als unzulässig abzuweisen (BGH MDR 10, 1143 [BGH 13.07.2010 - VI ZR 111/09]; NJW 05, 437). Auch in der Berufungsinstanz ist ein erstinstanzliches Urt aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen, wenn das erforderliche außergerichtliche Güteverfahren nicht vor Klageerhebung durchgeführt wurde (LG Kiel SchlHA 09, 229, 230; Frankf Urt v 6.3.08 – 4 U 41/07, Rz 22 – juris; Saarbr NJW 07, 1292, 1293 [OLG Saarbrücken 14.12.2006 - 8 U 724/05 - 204 -]; Rimmelspacher/Arnold NJW 06, 17 ff [BGH 23.11.2004 - VI ZR 336/03]; aA LG Marburg NJW 05, 2866, 2867 [LG Marburg 13.04.2005 - 5 S 81/04]). Das Scheitern des vorprozessualen Schlichtungsversuchs weist der Kl durch eine Bescheinigung nach, die die Gütestelle über den erfolglosen Einigungsversuch ausstellt. Er hat diese Bescheinigung zusammen mit der Klageschrift bei Gericht einzureichen (Abs 1 S 2). Das Gericht ist insofern an die vorgelegte Bescheinigung gebunden (BGH NJW-RR 10, 357f [BGH 20.11.2009 - V ZR 94/09]). Damit unzumutbare Verzögerungen vermieden werden, stellt die Gütestelle dem Kl auf Antrag eine solche Erfolglosigkeitsbescheinigung auch dann aus, wenn das von ihm beantragte Einigungsverfahren nicht innerhalb von drei Monaten durchgeführt worden sein sollte (Abs 1 S 3). In diesem Fall ist die Klage auch ohne die Durchführung des Güteverfahrens zulässig.
Rn 10
Ist ein vorprozessualer Schlichtungsversuch gescheitert, muss bei einer nachträglichen Änderung der Klageanträge kein erneutes außergerichtliches Schlichtungsverfahren durchgeführt werden (BGH NJW-RR 05, 501, 503 [BGH 22.10.2004 - V ZR 47/04]). Dies gilt auch für den Fall des Parteiwechsels auf der Klägerseite (BGH WuM 10, 515f [BGH 18.06.2010 - V ZR 9/10]). Zulässig ist eine Klage auch dann, wenn vor Klageerhebung kein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden war und die Klage nach Erweiterung des Klageantrags nicht mehr in den Anwendungsbereich der obligatorischen Schlichtung fällt (LG Kassel NJW 02, 2256 [LG Kassel 18.04.2002 - 1 S 640/01]), solange durch die Klageerweiterung nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise die besondere Prozessvoraussetzung des Güteverfahrens umgangen werden sollte (Bitter NJW 05, 1235, 1236f).
Das Schlichtungserfordernis entfällt nicht dadurch, dass ein schlichtungsbedürftiger Antrag mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Antrag verbunden wird. Die Klage ist in diesen Fällen hinsichtlich des schlichtungsbedürftigen Antrags als unzulässig abzuweisen, wenn kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde (BGH NJW-RR 09, 1239f [BGH 07.07.2009 - VI ZR 278/08]). Eine nachträgliche subjektive Klagehäufung ist nicht anders zu beurteilen (BGH MDR 10, 1143f [BGH 13.07.2010 - VI ZR 111/09]). Für eine Klage, die richtigerweise vor dem Amtsgericht hätte erhoben werden müssen und die allein aufgrund einer Höherbewertung des Streitwerts durch den Kläger vor dem Landgericht erhoben wurde, ist ein Schlichtungsverfahren bei Verweis gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das zuständige Amtsgericht nicht erforderlich (BGH NJOZ 13, 1816).
Auch ein vorgeschaltetes Beweisverfahren nach §§ 485 ff ZPO entbindet nicht von dem Erfordernis zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens, es sei denn, das Gericht hat nach Beweiserhebung die Klageerhebung binnen einer bestimmten Frist angeordnet (Saarbr Urt v 22.1.15 – 4 U 34/14 – juris). Dem Erlass eines Anerkenntnisurteils steht die fehlende Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung nicht entgegen (BGH NJW-RR 14, 1358 [BGH 18.07.2014 - V ZR 287/13]).
Ein Schlichtungsverfahren ist nicht durchzuführen, wenn ein Insolvenzgläubiger die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle betreibt (BGH DZWIR 11, 476).