Rn 1
§ 107 regelt die Anerkennung ausl Entscheidungen in Ehesachen.
I. Vorrangige Rechtsakte.
Rn 2
Vorrangige völkerrechtliche Abkommen (§ 97 I 1) bestehen mit der Schweiz u Tunesien (MüKoFamFG/Rauscher Rz 10f). Als europäische Regelung hat die Brüssel IIa-VO Vorrang (§ 97 I 2) für Ehesachen (§ 98 Rn 2). Art 21 ff Brüssel IIa-VO regeln die Anerkennung v Entscheidungen (Art 2 Nr 4 Brüssel IIa-VO) aus Brüssel-IIa-MS: Diese sind in allen anderen MS ohne weitere Nachprüfung anzuerkennen (Art 21 I Brüssel IIa-VO). Im Umgang mit Privatscheidungen ist zu differenzieren: solche mit nur deklaratorischer behördlicher bzw gerichtlicher Bestätigung oder Registrierung sind nach hL von der Brüssel IIa-VO nicht erfasst (offen EuGH IPRax 17, 90 – Sahyouni I; EuGH IPrax 18, 261 – Sahyouni II; ausf Pika/Weller IPRax 17, 65 f mwN); sehr str ist ihre Anwendbarkeit auf Privatscheidungen unter öffentlicher Kontrolle (bejahend zB Prütting/Helms/Hau § 98 Rz 7 – aA etwa Keidel/Dimmler Rz 7), für italienische Scheidung beim Zivilstandsbeamten bejahend KG FamRZ 20, 1215, der BGH hat die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (BeckRS 20, 32498). Ohne förmliches Verfahren wird über die Anerkennung grds inzident entschieden (Art 21 IV Brüssel IIa-VO), eine klarstellende Feststellung ist auf Antrag möglich (Art 21 III Brüssel IIa-VO, Verfahren nach § 32 iVm §§ 16 ff IntFamRVG).
II. Autonomes Recht.
Rn 3
Dem autonomen Anerkennungsverfahren unterliegen in Dänemark sowie in Drittstaaten ergangene rechtskräftige Entscheidungen in Ehesachen (KG FamRZ 19, 1534; MüKoFamFG/Rauscher Rz 21). ›Ehesache‹ ist weiter als in § 121 zu verstehen u erfasst neben Scheidungen mit oder ohne Auflösung des Ehebandes auch Eheaufhebungen, Ehenichtigerklärungen u Feststellungen über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe. Umstr ist die Anwendung auf gleichgeschlechtliche Ehen (hM befürwortend, vgl BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 13; MüKoFamFG/Rauscher Rz 4a) u Lebenspartnerschaften (hM abl, vgl Keidel/Dimmler Rz 12; MüKoFamFG/Rauscher Rz 4). Die Anerkennungsfähigkeit abweisender Entscheidungen in Ehesachen ist abzulehnen (Keidel/Dimmler Rz 11). Folgesachen u Nebenentscheidungen sind (ggf nach Anerkennung der Ehesachen-Entscheidung) nach § 108 anzuerkennen (BGHZ 64, 19, 21; FamRZ 07, 717; Heiderhoff StAZ 09, 328, 329 f; BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 11f).
Rn 4
Der weit auszulegende Entscheidungsbegriff erfasst alle Akte ausländischer Hoheitsgewalt, eingeschlossen verwaltungsbehördlicher (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 8) u kirchengerichtlicher (sofern staatlich autorisiert, BGHZ 176, 365 Rz 30) Entscheidungen. Für die Anerkennung im Inland durch ausl Behördenvertreter vorgenommener Privatscheidungen gilt § 107 analog (BGHZ 82, 34; Nürnbg FamRZ 17, 360; MüKoFamFG/Rauscher Rz 22 – aA Keidel/Dimmler Rz 14), sie scheitert jedoch am gerichtlichen Scheidungsmonopol des Art 17 III EGBGB.
Rn 5
Problematisch ist der Umgang mit Privatscheidungen (stets autonome Anerkennung). Sowohl einseitige als auch vertragliche Privatscheidungen können nach § 107 anerkannt werden, wenn eine staatliche Stelle daran zumindest deklaratorisch (zB durch Registrierung) mitgewirkt hat (BGHZ 82, 34; 110, 267; NJW 19, 931; NJW 20, 3592 – Sahyouni; München FamRZ 12, 1142; 15, 1611; BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 10). Für reine Privatscheidungen ohne jegliche staatliche Mitwirkung gilt das Anerkennungsmonopol des § 107 nicht (Zö/Geimer Rz 23 – aA MüKoFamFG/Rauscher Rz 28), auf Antrag ist jedoch ein fakultatives Anerkennungsverfahren möglich (Keidel/Dimmler Rz 16, 20).