Rn 3
Die Antragsbefugnis der Verwaltungsbehörde ergibt sich aus § 1316 I Nr 1 BGB. Danach ist die Verwaltungsbehörde befugt bei Verstoß gegen § 1303 S 1 BGB (Erfordernis der Ehemündigkeit), § 1304 BGB (keine Eheschließung durch einen Geschäftsunfähigen), § 1306 BGB (Verbot der Doppelehe oder Lebenspartnerschaft), § 1307 BGB (Verbot der Eheschließung unter Verwandten), § 1311 BGB (Anforderungen an die Erklärung der Eheschließung) sowie in den Fällen des § 1314 II Nr 1 und insb Nr 5 (Scheinehe). Die Behörde ist nicht antragsbefugt in einem Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe. Durch die Verweisung in Abs 2 S 3 wird der Behörde die Möglichkeit eröffnet, nach der gebotenen Unterrichtung durch das Gericht zur Wahrung des öffentlichen Interesses selbstständig am Feststellungsverfahren teilzunehmen.
Rn 4
Die Antragstellung steht grds im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörde (BGH FamRZ 86, 879 –- noch für die früher zuständige Staatsanwaltschaft; vgl aber auch Frankf OLGR 07, 708). Gem § 1316 III 1 BGB wird das Ermessen eingeschränkt: In den dort genannten Fällen soll ein verfahrenseinleitender Antrag von der Verwaltungsbehörde nur dann gestellt werden, wenn nicht die Aufhebung der Ehe für einen Ehegatten oder für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder eine so schwere Härte bedeuten würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint. Das Vorliegen des Härtegrundes ist vom Gericht eigenständig zu prüfen und der Antrag der Verwaltungsbehörde als unzulässig zu verwerfen, wenn das Gericht das Eingreifen der Härteklausel bejaht (BGH FuR 12, 371). § 1316 III 2 BGB (gültig seit dem 22.7.17) schränkt das Ermessen weiter ein: Bei einem Verstoß gegen § 1303 S 1 muss die zuständige Behörde den Antrag stellen, es sei denn, der minderjährige Ehegatte ist zwischenzeitlich volljährig geworden und hat zu erkennen gegeben, dass er die Ehe fortsetzen will. Ist das nicht erkennbar, muss die Verwaltungsbehörde bei einem Verstoß gegen § 1303 S 1 BGB allerdings selbst dann die Aufhebung der Ehe beantragen, wenn der zuständige Mitarbeiter zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aufhebung der Ehe für den minderjährigen Ehegatten eine schwere Härte iSv § 1315 I Nr 1 lit b BGB begründen könnte (vgl auch Oldbg FamRZ 18, 152; AG Frankenthal FamRZ 18, 749).
Rn 5
Die Behörde ist gem § 114 III 1 postulationsfähig und unterliegt nicht dem Anwaltszwang. Unterbleibt die Antragstellung, kann die Behörde auch nicht von einem Dritten zur Antragstellung gezwungen werden (PWW/Friederici 13. Aufl § 1316 Rz 7; MüKoFamFG/Lugani § 129 Rz 8). Stellt die Behörde einen Antrag, so ist sie Beteiligter des Verfahrens und nimmt dessen Rechtsstellung ein (vgl zB Musielak/Borth/Borth/Grandel § 129 Rz 4; ThoPu/Hüßtege § 129 Rz 5). Sie kann gegen eine Entscheidung Rechtsmittel einlegen.
Rn 6
Stellt die Behörde einen Antrag, ist dieser gegen beide Ehegatten zu richten. Diese sind notwendige Streitgenossen iSv § 62 ZPO, und zwar selbst dann, wenn sie einander widersprechende Anträge stellen und dabei ein Ehegatte einen mit dem der Verwaltungsbehörde übereinstimmenden Antrag stellt (MüKoFamFG/Lugani § 129 Rz 9; Keidel/Weber § 129 Rz 5; ThoPu/Hüßtege § 129 Rz 2; Dresd FamRZ 04, 952). Stellt die Behörde einen Antrag auf Aufhebung einer bigamischen Ehe, so sollte der Dritte von der Antragstellung unterrichtet werden, damit dieser seine Rechte entsprechend Abs 2 wahrnehmen kann (MüKoFamFG/Lugani § 129 Rz 9; Musielak/Borth/Borth/Grandel § 129 Rz 6).