Rn 13
Gem Abs 2 S 2 Nr 5 ist die Abtrennung einer Folgesache möglich, wenn sich a) der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass b) ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde und c) ein Ehegatte die Abtrennung beantragt. Die Regelung enthält in modifizierter Form den bisherigen Abtrennungsgrund des § 628 S 1 Nr 4 ZPO und gilt weiterhin für alle Folgesachen.
a) Außergewöhnliche Verzögerung.
Rn 14
Ob eine außergewöhnliche Verzögerung vorliegt, ist unter Berücksichtigung der üblichen Dauer eines Scheidungsverfahrens zu beurteilen; bei dieser generalisierenden Betrachtung ist nicht danach zu fragen, ob eine tatsächlich gegebene Verfahrensdauer auf das Verhalten der Ehegatten oder des Gerichts zurückzuführen ist (BGH FamRZ 86, 898; Ddorf FamRZ 85, 412). Der BGH sieht einen Zeitraum bis zu etwa 2 Jahren als gewöhnliche Dauer eines Verbundverfahrens an (FamRZ 91, 687; FamRZ 86, 898). Hinsichtlich der Zweijahresfrist hat diese Rspr unverändert Gültigkeit (Bambg FuR 18, 141; Stuttg FF 17, 78; Brandbg FamRZ 14, 323 Rz 20; Kobl FamRB 14, 414 Rz 23; vgl auch MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 52; FAKomm-FamR/Roßmann § 140 Rz 30; ThoPu/Hüßtege § 140 Rz 22; Zö/Lorenz § 140 Rz 8; Keidel/Weber § 140 Rz 10; aA Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig § 140 Rz 23: nach unten zu korrigieren; Gerhards NJW 210, 1697, 1699: 1 Jahr; Naumbg FamRZ 02, 331: höchstens 1,5 Jahre; AG Bad Iburg FamRZ 11, 1084: 10–12 Monate). Es handelt sich dabei aber nur um einen Richtwert, im Einzelfall kann auch eine Verfahrensdauer von weniger als 2 Jahren außergewöhnlich lang sein (Stuttg FuR 16, 363; Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 22). Aufgrund der generalisierenden Betrachtung ist die Zeit, in der das Verfahren ausgesetzt war oder ruhte, mit einzurechnen (BGH FamRZ 86, 898; Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 21; MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 53).
Rn 15
Die Frist ist grds ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu berechnen. Haben beide Ehegatten einen Antrag gestellt, ist der Antrag des Ehegatten relevant, der sich auf die unzumutbare Härte beruft (Saarbr FamRZ 11, 1890; Schlesw MDR 04, 514; Stuttg MDR 98, 290; J/H/Markwardt § 140 Rz 10; Zö/Lorenz § 140 Rz 9; ThoPu/Hüßtege § 140 Rz 22). Wurde der Scheidungsantrag verfrüht eingereicht, ist gem Abs 4 S 1 der Zeitraum, um den der Antrag zu früh eingereicht wurde, nicht zu berücksichtigen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Härtescheidung iSv § 1565 II BGB vorgelegen haben, Abs 4 S 2.
Rn 16
Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abtrennungsantrag muss eine außergewöhnliche Verzögerung nach dem Wortlaut der Vorschrift (›verzögern würde‹) noch nicht vorliegen; vielmehr ist eine Prognose über die Verfahrensdauer anzustellen (MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 54; Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 22; J/H/A/Markwardt § 140 Rz 10; Keidel/Weber § 140 Rz 10; Brandbg FuR 20, 597). Es ist zu berücksichtigen, welche Punkte noch klärungsbedürftig sind, ob sich eine (umfangreiche) Beweisaufnahme abzeichnet und in welchem Stadium sich ein Stufenverfahren befindet (Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 22 mwN). Aktuell sind auch die aufgrund der Corona-Pandemie eingetretenen und noch eintretenden Verfahrensverzögerungen in die Abwägung einzubeziehen (Brandbg FuR 20, 597). Zu berücksichtigen ist auch die Dauer des Rechtsmittelverfahrens (BGH FamRZ 86, 898).
b) Unzumutbare Härte.
Rn 17
Für den die Abtrennung begehrenden Ehegatten muss der weitere Aufschub des Scheidungsausspruchs eine unzumutbare Härte bedeuten. Nach ganz überwiegender Auffassung stellt die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer für sich genommen regelmäßig nicht schon eine unzumutbare Härte dar (MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 58; FAKomm-FamR/Roßmann § 140 Rz 31; Keidel/Weber § 140 Rz 11; ThoPu/Hüßtege § 140 Rz 23; Stuttg FF 17, 78; FamRZ 09, 64; Karlsr NJW 16,652; Brandbg FamRZ 14, 2022; KG FamRZ 14, 2023; Köln FamRZ 10, 659; krit Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 24), soweit es sich nicht in Einzelfällen um eine ›ganz außergewöhnliche Verzögerung‹ handelt; wann eine solche anzunehmen ist, wird in der Rspr uneinheitlich gesehen (Köln FF 18, 323: 6 Jahre reichen nicht; FamRZ 10, 659: 9 Jahre ausreichend; Stuttg FF 17, 78: 5 Jahre Verfahrensdauer reichen nicht; Karlsr NJW 16, 652: 6 Jahre reichen nicht; Brandbg FamRZ 14, 2022: nicht bei etwas mehr als 4 Jahren; KG FamRZ 14, 2023: 3,5 Jahre reichen aus). Anderenfalls wäre das eigenständige Erfordernis (BGH FamRZ 86, 898) der unzumutbaren Härte überflüssig (Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 24 mwN; MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 58). Allerdings kann die Verfahrensdauer als ein Gesichtspunkt in die Abwägung einfließen.
Rn 18
Das Vorliegen einer unzumutbaren Härte ist nach den Umständen des Einzelfalles zu würdigen. Unzumutbar ist die durch die Verzögerung des Scheidungsausspruchs hervorgerufene Härte dann, wenn – auch unter Berücksichtigung der finanziellen Belange gemeinsamer Kinder – das Interesse des ASt an einer frühzeitigen Scheidung deutlich schwerer wiegt als das Interesse des Antragsgegners an einer gleichzeitige...