Rn 1

Die Vorschrift entspricht in den ersten drei Abs nahezu wortgleich § 50e Abs 1–3 FGG aF, der aufgrund des Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4.7.08 (BGBl I, 1188) eingefügt wurde und zum 12.7.08 in Kraft getreten ist. Das Vorrang- und Beschleunigungsgebot war ein Schwerpunkt der Reform des familienrechtlichen Verfahrens im FGG-RG. Nicht nur der EGMR hatte bereits frühzeitig die besondere Bedeutung der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer in kindschaftsrechtlichen Angelegenheiten erkannt und wiederholt auf die gravierenden Folgen überlanger Verfahren für das durch Art 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben hingewiesen (zB Urt v 27.6.00 – 32842/96, Nuutinen/Finnnland, juris; NJW 06, 2241; FuR 07, 410; FamRZ 09, 1037), sondern auch das BVerfG (zB FamRZ 97, 871; 08, 2258). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die der Vorschrift des § 61a I ArbGG nachgebildete Regelung insb eine Verkürzung der Verfahrensdauer in sorge- und umgangsrechtlichen Verfahren bewirken, die angesichts der statistischen Werte aus dem Jahr 2005 mit durchschnittlich 6,8 Monaten (Umgang) und 7,1 Monaten (Sorgerecht) unter Kindeswohlaspekten verbesserungsbedürftig erschien (vgl. BTDrs 16/6308, 235). Die faktische Präjudizierung einer Entscheidung, die durch Verfestigung bzw Veränderung von Bindungs- und Beziehungsverhältnissen während des Verfahrens eintreten kann (EGMR FamRZ 11, 1283; BGH FamRZ 14, 933; Bremen FuR 17, 269; Stuttg FuR 18, 267), soll verhindert werden. Zugleich soll eine Deeskalation und eine Stärkung der Elternverantwortung erreicht werden (BRDrs 309/07, 524). Abs 4 wurde mWz 26.7.12 aufgrund des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren zur außergerichtlichen Konfliktbereinigung (v 21.7.12, BGBl I, 1577), das am 26.7.12 in Kraft getreten ist, angefügt. Mit dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot geht es um die Verkürzung der Verfahrensdauer, aber nicht um den ›kurzen Prozess‹ (Salgo FF 10, 352–361)

 

Rn 2

Macht ein Verfahrensbeteiligter einen Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot geltend, steht ihm mit den zum 15.10.16 in Kraft getretenen §§ 155b und 155c ein besonderes Zwischenverfahren (Beschleunigungsrüge) offen, durch das sichergestellt werden soll, dass sich das Gericht bereits in dem konkreten Verfahren mit der Verfahrensdauer in einem Beschluss auseinanderzusetzen hat; gegen diese Zwischenentscheidung steht dem Beteiligten die Beschwerde zu (Beschleunigungsbeschwerde).

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