Gesetzestext
(1) Die nachfolgenden Bestimmungen dieses Paragrafen gelten für das Verfahren nach § 1626a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge sind Geburtsdatum und Geburtsort des Kindes anzugeben.
(2) § 155 Absatz 1 ist entsprechend anwendbar. Das Gericht stellt dem anderen Elternteil den Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge nach den §§ 166 bis 195 der Zivilprozessordnung zu und setzt ihm eine Frist zur Stellungnahme, die für die Mutter frühestens sechs Wochen nach der Geburt des Kindes endet.
(3) In den Fällen des § 1626a Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll das Gericht im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheiden. § 162 ist nicht anzuwenden. Das Gericht teilt dem nach § 87c Absatz 6 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständigen Jugendamt seine Entscheidung unter Angabe des Geburtsdatums und des Geburtsorts des Kindes sowie des Namens, den das Kind zur Zeit der Beurkundung seiner Geburt geführt hat, zu den in § 58a des Achten Buches Sozialgesetzbuch genannten Zwecken formlos mit.
(4) Werden dem Gericht durch den Vortrag der Beteiligten oder auf sonstige Weise Gründe bekannt, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, gilt § 155 Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Termin nach Satz 2 spätestens einen Monat nach Bekanntwerden der Gründe stattfinden soll, jedoch nicht vor Ablauf der Stellungnahmefrist der Mutter nach Absatz 2 Satz 2. § 155 Absatz 3 und § 156 Absatz 1 gelten entsprechend.
(5) Sorgeerklärungen und Zustimmungen des gesetzlichen Vertreters eines beschränkt geschäftsfähigen Elternteils können auch im Erörterungstermin zur Niederschrift des Gerichts erklärt werden. § 1626d Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift ist aufgrund des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16.4.13 (BGBl I, 795) neu eingefügt worden und am 19.5.13 in Kraft getreten. Nach der bis zum 18.5.13 geltenden Regelung des § 1626a I BGB aF stand nicht miteinander verheirateten Eltern die elterliche Sorge für ihr Kind nur dann gemeinsam zu, wenn sie übereinstimmende Sorgeerklärungen abgaben oder einander heirateten. Ansonsten stand die elterliche Sorge gem § 1626a II BGB aF der Mutter allein zu. Der Vater war also auf die Zustimmung der Mutter angewiesen, ohne dass deren Haltung einer familiengerichtlichen Überprüfung unterzogen werden konnte. Die Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern wurde ganz entscheidend durch eine Entscheidung des EGMR vom 3.12.09 (Zaunegger./. Bundesrepublik Deutschland, FamRZ 10, 103) befeuert. Das BVerfG hatte noch im Urteil vom 29.1.03 (FamRZ 03, 285) keinen Handlungsbedarf gesehen und erst mit Beschluss vom 21.7.10 (FamRZ 10, 1403) die bestehende Regelung des Zugangs des nicht mit der Kindesmutter verheirateten Vaters zur Sorgetragung in § 1626a I, II BGB aF wegen Verstoßes gegen Art. 6 II GG beanstandet. In der seit dem 19.5.13 geltenden Fassung des § 1626a BGB ist in Abs 1 Nr 3, Abs. 2 vorgesehen, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam überträgt, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Nach § 1626a II 2 BGB wird dabei gesetzlich vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, wenn der andere Elternteil keine Gründe vorträgt, die der Übertragung der elterlichen Sorge entgegenstehen können, und auch sonst keine solchen Gründe ersichtlich sind. Die Vorschrift des § 155a fasst die im Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a I Nr 3, II BGB geltenden verfahrensrechtlichen Besonderheiten zusammen.
Rn 2
Sowohl in der Literatur als auch in der Rspr gehen die Auffassungen insb zur Umsetzung des vereinfachten Verfahrens nach Abs 3 (vgl schon die Stellungnahme des BR zum Gesetzesentwurf: ›Fremdkörper im Gesamtgefüge der kindschaftsrechtlichen Verfahren‹, BTDrs 17/11048, 27) sowie zum Leitbild der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a II, III BGB nach wie vor auseinander (vgl eingehend MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 21 mwN). Zwischenzeitlich liegt der aufgrund Art 6 des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern von dem BMJV dem Deutschen Bundestag vorzulegende Bericht über die Evaluierung der durch das genannte Gesetz geänderten sorgerechtlichen Bestimmungen des BGB und des eingefügten § 155a vor (v 29.3.18, BTDrs 19/1450). Danach hätten sich Befürchtungen, die mit Einführung des vereinfachten Sorgeverfahrens verbunden und Anlass zu dem Evaluierungsauftrag gegeben haben, nicht bewahrheitet. Vielmehr seien die neuen Regelungen in der Praxis durchaus handhabbar. Ein weitergehender Handlungsbedarf des Gesetzgebers wird nicht gesehen.
B. Die Vorschrift im Einzelnen.
I. Anwendungsbereich.
Rn 3
§ 155a ist nach seinem Wortlaut ausdrücklich ausschließlich anwendbar für Anträge auf erstmalige Übertragu...