Rn 47
Gem Abs 4 S 1 hat der Verfahrensbeistand das Interesse des Kindes zu ermitteln und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Dabei muss zwischen dem Interesse des Kindes und dem von ihm geäußerten Willen unterschieden werden. Zwar hat der Verfahrensbeistand den Kindeswillen in jedem Fall deutlich zu machen und in das Verfahren einzubringen, es steht ihm jedoch frei, darüber hinaus weitere Gesichtspunkte und auch etwaige Bedenken vorzutragen. Der Verfahrensbeistand hat daher bei seiner Stellungnahme sowohl das subjektive Interesse des Kindes (Wille des Kindes) als auch das objektive Interesse des Kindes (Kindeswohl) einzubeziehen (BTDrs 16/6308, 239). Dies entspricht dem materiellen Recht, wonach die zu treffenden Entscheidungen am zentralen und beherrschenden Maßstab des Kindeswohls auszurichten sind, vgl § 1697a BGB (PWW/Ziegler § 1697a Rz 1). Es entspricht auch der eigenständigen Stellung des Verfahrensbeistands, der, anders als ein in fremdem Namen handelnder Verfahrensbevollmächtigter, selbst Beteiligter ist (BTDrs 16/6308, 239). Es ist nicht Aufgabe des Verfahrensbeistands, den Willen der Eltern zu ermitteln und in das Verfahren einzuführen (Saarbr FamRZ 11, 1153; vgl auch BVerfG FamRZ 10, 109).
Rn 48
Der Aufgabenbereich des Verfahrensbeistands beinhaltet die Erfassung der tatsächlich bestehenden kindlichen Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse, deren Übermittlung an das Gericht, die Wahrung aller verfahrensmäßigen Einflussmöglichkeiten, um die (…) Interessen des Kindes zur Geltung zu bringen sowie die Begleitung des Kindes durch das gerichtliche Verfahren (Dresd FamRZ 03, 877). Zur Erledigung des ihm zugewiesenen originären Aufgabenbereichs muss er Einsicht in die Gerichtsakten nehmen, um den aktenkundigen Streitstand zu erfassen (er hat keinen Rechtsanspruch auf Einsichtnahme in die Akten des Jugendamts, vgl MüKoFamFG/Schumann § 158 Rz 26, Fn 156 mwN). Er muss sich aber in erster Linie darum bemühen, mit dem Kind, dessen Interessen er zu vertreten hat, in Kontakt zu treten und sein Vertrauen zu gewinnen (Frankf FamRZ 09, 1770). Zur Organisation der Gespräche mit dem Kind werden idR organisatorische Absprachen mit dem jeweils betreuenden Elternteil erforderlich sein. Ein Hausbesuch soll ›nur in besonders gelagerten Fällen‹ in Betracht kommen, etwa wenn – für Kinder im ›Kleinstkindalter‹ oder jüngeren Kindern – eine vertraute Umgebung für das Kind von besonderer Bedeutung ist (Brandbg FamFR 12, 424; 31.8.10 – 9 WF 160/10, juris; FamRZ 08, 1633 – sämtlich noch zu § 50 FGG aF; vgl auch MüKoFamFG/Schumann § 158 Rz 26 Fn 158). Häufig ergeben sich gerade aus einem Besuch des Kindes im Haushalt beider Elternteile wertvolle Informationen. Es liegt grds im Ermessen des Verfahrensbeistandes, wie er die Interessen des Kindes wahrnimmt und wie er verfährt, um einen möglichst unverfälschten Eindruck zu erlangen (Braunschw FamRZ 19, 119). Gerade bei älteren Kindern kann ein Gespräch im Büro des Verfahrensbeistands ausreichen. Ein kurzes Gespräch mit dem Kind auf dem Gerichtsflur unmittelbar vor Beginn des Termins wird der Aufgabe nicht gerecht. Im Beschwerdeverfahren sollte ein weiteres Gespräch mit dem Kind stattfinden, erst recht dann, wenn der letzte Kontakt einige Zeit zurückliegt.
Rn 49
Es steht dem Verfahrensbeistand frei, ob er seine Stellungnahme schriftlich abfasst oder aber im Termin mündlich abgibt (Stötzel JAmt 09, 213, 216). Im frühen Termin nach § 155 II oder § 157 I wird eine mündliche Stellungnahme ausreichen (BTDrs 16/6308, 240; ThoPu/Hüßtege § 158 Rz 20; MüKoFamFG/Schumann § 158 Rz 26). Bestehen Präferenzen vonseiten des Gerichts sollte hierauf frühzeitig hingewiesen werden.
Rn 50
Der Verfahrensbeistand hat das Kind gem Abs 4 S 2 in geeigneter Weise über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Eine altersgemäße Information, ggf auch über den wesentlichen Inhalt der Verfahrensakten, erleichtert dem Kind die Wahrnehmung der eigenen Position; es wäre ohne Unterstützung oftmals nicht in der Lage, die verfahrensmäßigen Abläufe zu verstehen (BTDrs 16/6308, 240). Insb muss bewussten Fehlinformationen durch die Eltern oder altersbedingt fehlendem Verständnis vom Gegenstand des Verfahrens durch kindgerechte Erläuterungen entgegengewirkt werden. Die Art und Weise der Information hängt wesentlich vom Alter des Kindes ab. Der Verfahrensbeistand ist verpflichtet, das Kind über den gesamten Verlauf des Verfahrens hinweg (also auch im Beschwerdeverfahren) über die einzelnen Schritte zu unterrichten (MüKoFamFG/Schumann § 158 Rz 30). Dazu kann vor und nach einem Gerichtstermin ein terminbezogenes Gespräch mit dem Kind gehören (Frankf FamRZ 02, 335: im Gerichtsgebäude). Da der Verfahrensbeistand regelmäßig bei der Anhörung des Kindes durch das Gericht anwesend ist (§ 159 IV 3), kann er ihm den Ausgang des Verfahrens oftmals unmittelbar nach Ende der Sitzung – bei einer einvernehmlichen Lösung im Idealfall zusammen mit beiden Eltern – mitteilen.