Gesetzestext
(1) Das Gericht hat in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören. Unterbleibt die Anhörung wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.
(2) In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist das Jugendamt zu beteiligen. Im Übrigen ist das Jugendamt auf seinen Antrag am Verfahren zu beteiligen.
(3) In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, ist das Jugendamt von Terminen zu benachrichtigen und ihm sind alle Entscheidungen des Gerichts bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift enthält die Verpflichtung des Gerichts zur Einbindung des Jugendamts in sämtlichen Kindschaftssachen, die die Person des Kindes betreffen. Dies führt zu einer erheblichen Erweiterung der Anhörungs- und damit auch der Mitwirkungspflichten des Jugendamts im Vergleich zu § 49a I FGG aF, der eine unvollständige enumerative Aufzählung bestimmter Kindschaftssachen enthielt (BTDrs 16/6308, 241). Das Jugendamt ist in allen Verfahren anzuhören, es ist von Terminen zu benachrichtigen und Entscheidungen des Gerichts sind ihm bekannt zu machen. Neu ist die in Abs 2 geregelte Beteiligung des Jugendamts auf seinen Antrag hin und zwingend in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB. Abs 3 S 2 sieht schließlich eine von § 59 unabhängige Beschwerdebefugnis des Jugendamts in allen Verfahren unabhängig von seiner förmlichen Beteiligung vor. Abs II, III 1 wurden durch das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5.12.12 (BGBl I, 2418) mit Wirkung zum 1.1.13 neu gefasst.
Rn 2
Mit der Verpflichtung des Gerichts korrespondiert die in § 50 I 2 Nr 1 SGB VIII geregelte Verpflichtung des Jugendamts zur Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren, die vom ASD wahrgenommen wird. Das Jugendamt wird nicht aufgrund gerichtlicher Anordnung sondern aus eigener gesetzlicher Verpflichtung und nicht als Hilfsorgan des Gerichtes sondern selbstständig neben diesem tätig (Frankf FamRZ 92, 206; Schlesw FamRZ 94, 1129; Celle FuR 11, 336). Das Jugendamt ist nicht weisungsgebunden (MüKoFamFG/Schumann § 162 Rz 6; Prütting/Helms/Hammer § 162 Rz 17).
B. Die Vorschrift im Einzelnen.
I. Anwendungsbereich.
Rn 3
Die Vorschrift gilt (wie auch die §§ 158, 160, 161) in allen Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, wobei die in Abs 2 geregelte zwingende Beteiligung des Jugendamts ausschließlich Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB betrifft. Erfasst sind alle Kindschaftssachen, die nicht ausschließlich vermögensrechtlicher Natur sind. Keine Anwendung findet die Vorschrift im vereinfachten schriftlichen Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 155a III 1. In Verfahren nach § 151 Nr 6 und Nr 7 wird § 162 durch die abschließende Regelung in § 167 I 1 iVm § 315 III, 320 verdrängt (Prütting/Helms/Hammer § 162 Rz 5; FAKomm-FamR/Ziegler § 162 Rz 1; Heilmann/Heilmann § 162 Rz 3; DIJuF Gutachten JAmt 18, 92; aA Bork/Jacoby/Schwab/Zorn § 162 Rz 2; MüKoFamFG/Schumann § 162 Fn 20). Die Mitwirkung des Jugendamts ist auch in Verfahren, für die der Rechtspfleger nach § 3 Nr 2 lit a RPflG mangels Richtervorbehalts in § 14 RPflG zuständig ist, zu beachten, zB § 1618 S 4 BGB. Sie gilt sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Beschwerdeinstanz. Gem § 51 II 1 gilt sie auch im einstweiligen Anordnungsverfahren. Sie ist aber nicht im Vollstreckungsverfahren anzuwenden, weil die Kindeswohlprüfung dem Erkenntnisverfahren vorbehalten ist (Prütting/Helms/Hammer § 162 Rz 7; Heilmann/Heilmann § 162 Rz 4; aA FAKomm-FamR/Ziegler § 162 Rz 3; Born/Jacoby/Schwab/Zorn § 162 Rz 3; MüKoFamFG/Schumann § 162 Rz 4 und Haußleiter/Eickelmann § 162 Rz 5; beide mit Verweis auf BTDrs 16/6308, 241).
Rn 4
Die Vorschrift wird in Abstammungssachen (§§ 172 II, 176), Adoptionssachen (§§ 188 II, 194) durch weitere Regelungen über die Anhörung und Beteiligung des Jugendamts ergänzt. Soweit Kinder betroffen sind, ist bei Entscheidungen über die Zuweisung einer Wohnung nach § 2 GewSchG oder §§ 1361b, 1568a BGB in Wohnungszuweisungssachen (§§ 204 II, 205) und Gewaltschutzsachen (§§ 212, 213) die Anhörung und fakultative Beteiligung des Jugendamts vorgesehen.
II. Anhörung des Jugendamts (Abs 1).
1. Pflicht zur Anhörung, Abs 1 S 1.
Rn 5
In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, hat das Gericht das Jugendamt zwingend anzuhören. Von der Anhörung kann nicht abgesehen werden. Das gilt auch dann, wenn zwischen den Eltern Einvernehmen besteht, zB im Fall von § 1671 I 2 Nr 1, II 2 Nr 1 BGB oder aber auch bei einem gem § 156 II gerichtlich zu billigenden Vergleich (Prütting/Helms/Hammer § 162 Rz 6; MüKoFamFG/Schumann § 162 Rz 5).
Rn 6
Die Anhörungspflicht bezieht sich auf das örtlich und sachlich zuständige Jugendamt. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 87b I 1 iVm § 86 I–IV SGB VIII und knüpft an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern bzw des allein personensorgeberechtigten Elternteils, hilfsweise an den gewöhnlichen bzw den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes (Abs 4), an. Bei unbegleiteten Minderjährigen ist im Regelfall dessen tatsächliche...