Gesetzestext
Die Entscheidung, gegen die das Kind das Beschwerderecht ausüben kann, ist dem Kind selbst bekannt zu machen, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat und nicht geschäftsunfähig ist. Eine Begründung soll dem Kind nicht mitgeteilt werden, wenn Nachteile für dessen Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind. § 38 Abs. 4 Nr. 2 ist nicht anzuwenden.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift entspricht in den S 1 und 2 dem bisherigen § 59 II FGG aF (BTDrs 16/6308, 242). Die S 1 und 2 regeln in Ergänzung zu § 41 I 1, ob und in welchem Umfang eine Entscheidung dem Kind selbst bekannt zu machen ist und knüpft an das eigene Beschwerderecht des Kindes gem § 60 S 1 und 2 an. S 3 enthält die für alle Kindschaftssachen geltende Bestimmung, dass eine Entscheidung auch dann begründet werden muss, wenn sie den gleichgerichteten Anträgen aller Beteiligten oder ihrem gemeinsamen Interesse entspricht; die Vorschrift des § 38 IV Nr 2 ist nicht anzuwenden.
B. Die Vorschrift im Einzelnen.
I. Anwendungsbereich.
Rn 2
§ 164 gilt in allen Kindschaftssachen und bindet sowohl das Familiengericht als auch das Beschwerdegericht. Sie ist auch im einstweiligen Anordnungsverfahren zu beachten. Die Bestimmung betrifft alle Kinder, unabhängig davon, ob sie unter elterlicher Sorge, Vormundschaft oder Pflegschaft stehen; dies ist allerdings im Gegensatz zu § 59 II FGG aF nicht mehr besonders hervorgehoben (Keidel/Engelhardt § 164 Rz 1; MüKoFamFG/Schumann § 164 Rz 4; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn § 164 Rz 2).
II. Erforderlichkeit der Bekanntgabe von Entscheidungen.
1. Bekanntgabe an das beschwerdebefugte Kind, S 1.
Rn 3
Gem S 1 ist eine Entscheidung dem Kind selbst bekannt zu machen, wenn es ein eigenes Beschwerderecht iSv § 60 hat, also durch die Entscheidung in eigenen Rechten beeinträchtigt ist (Zö/Feskorn § 60 Rz 2; Prütting/Helms/Abramenko § 60 Rz 1; MüKoFamFG/Schumann § 164 Rz 4; Brandbg FamRZ 14, 1649; Nürnbg FamRZ 12, 804; Ddorf FamRZ 11, 1081). Das Kind hat ein Beschwerderecht in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten (§ 60 S 1) sowie in allen Angelegenheiten, in denen das Kind angehört werden soll (§ 60 S 2). Darüber hinaus muss das Kind bei Erlass der Entscheidung (§ 60 S 3 iVm § 38 III 3) das 14. Lebensjahr vollendet haben und darf nicht geschäftsunfähig sein (§ 104 Nr 2 BGB). Vollendet das Kind das 14. Lebensjahr nach Erlass des Beschlusses aber vor Ablauf der Rechtsmittelfrist, muss eine Bekanntgabe nicht erfolgen (Haußleiter/Eickelmann § 164 Rz 6; MüKoFamFG/Schumann § 164 Rz 4).
Rn 4
Zwar erfasst § 60 FamFG dem Wortlaut nach nur Beschwerden gegen (End-)Entscheidungen in der Hauptsache. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift gilt aber Entsprechendes auch für die sofortige Beschwerde gegen Zwischenentscheidungen, deren isolierte Anfechtbarkeit bestimmt ist (Prütting/Helms/Abramenko § 60 Rz 5; MüKoFamFG/Fischer § 60 Rz 17a, 24; Karlsr FamRZ 16, 567: sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs). Die Vorschrift des § 60 gilt ferner im Erinnerungsverfahren (Keidel/Meyer-Holz § 60 Rz 20; Bahrenfuss/Kräft § 60 Rz 4). Besteht eine Beschwerdebefugnis des Kindes, sind auch diese Entscheidungen von § 164 erfasst.
Rn 5
Die Bekanntgabe muss an das Kind selbst erfolgen; diese Verpflichtung tritt neben die Bekanntgabe an den oder die gesetzlichen Vertreter oder den Verfahrensbeistand (MüKoFamFG/Schumann § 164 Rz 5; Prütting/Helms/Hammer § 164 Rz 4; Keidel/Engelhardt § 164 Rz 4; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn § 164 Rz 5). Die Bekanntgabe an das Kind erfolgt gem § 15 II 1 entweder durch förmliche Zustellung (§§ 166 ff ZPO) oder durch Aufgabe zur Post. Eine förmliche Zustellung muss gem § 41 I 2 zwingend erfolgen, wenn der Beschluss nicht dem erklärten Willen des Kindes entspricht. Dabei kommt eine Ersatzzustellung an den mit dem Kind zusammenlebenden Eltern nicht in Betracht (§ 15 II iVm § 178 II ZPO), worauf im Zustellungsauftrag ausdr hinzuweisen ist (vgl MüKoFamFG/Schumann § 164 Fn 11).
2. Bekanntgabe an das unter 14 Jahre alte Kind.
Rn 6
Dem unter 14 Jahre alten bzw gem § 104 Nr 2 BGB geschäftsunfähigen Kind wird die Entscheidung nicht selbst bekannt gegeben; die förmliche Bekanntgabe erfolgt an den gesetzlichen Vertreter. Regelmäßig wird der für das Kind bestellte Verfahrensbeistand dieses vom Ausgang des Verfahrens informieren, § 158 IV 2. Betrifft ein Verfahren – wie bei der familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung – ausschließlich Vermögensangelegenheiten, so bedarf es bei Vorliegen eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen Eltern und dem Kind iSv § 1796 II BGB der Bestellung eines Ergänzungspflegers auch für die nach § 41 III zu erfolgende Zustellung. Diese kann nicht durch Bestellung eines Verfahrensbeistands ersetzt werden, da dieser das Kind gem § 158 IV 6 nicht vertritt (BGH ZKJ 11, 465; Zweibr FamRZ 12, 1961; Köln ZKJ 10, 454; Prütting/Helms/Hammer § 164 Rz 8; Musielak/Borth/Borth/Grandel § 164 Rz 2; ThoPu/Hüßtege § 164 Rz 1).
III. Begründungspflicht, Mitteilung der Entscheidungsgründe an das Kind, S 2 und 3.
Rn 7
Das Gericht entscheidet gem § 116 I durch Beschluss, der grds zu begründen ist, § 38 III. Nach § 164 S 3 gilt dies auch in den Fällen des § 38 IV Nr 2, also wenn die Entscheidung den gleichgerichteten Anträgen aller Beteiligten oder ihrem gemeinsamen Interesse entspricht, wie dies zB bei