Rn 40
Abweichend von § 321 I 4 enthält § 167 VI besondere Bestimmungen zu den Anforderungen, die an die Qualifikation des Sachverständigen zu stellen sind. Nach Abs 6 S 1 soll der ärztliche Sachverständige sowohl in den Verfahren nach § 151 Nr 6 als auch in den Verfahren nach § 151 Nr 7 nicht nur Arzt für Psychiatrie, sondern Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sein.
Rn 41
Gem Abs 6 S 2 kann das Gutachten in einem Verfahren nach § 151 Nr 6 ausnw auch durch einen in Fragen der Heimerziehung ausgewiesenen Psychotherapeuten, Psychologen, Pädagogen oder Sozialpädagogen erstattet werden. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift aufgenommen, weil es sich bei stark verhaltensauffälligen Kindern zwar gerade um eine psychiatrische Hochrisikogruppe handle, für die im Regelfall eine psychiatrische Begutachtung erforderlich sei. Dennoch könne in bestimmten Fällen, etwa bei eindeutigen Erziehungsdefiziten, uU von vornherein nur eine Unterbringung in einem Heim der Kinder- und Jugendhilfe in Betracht kommen, ohne dass ein psychiatrischer Hintergrund bestehe (BTDrs 16/6308, 243; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 35; Keidel/Engelhardt § 167 Rz 12; FAKomm-FamR/Ziegler § 167 Rz 11; Saarbr FamRZ 10, 1920). Allerdings beinhaltet der Verzicht auf das Einholen eines kinder- und jugendpsychiatrischen Gutachtens eine Vorwegnahme des ärztlichen Befundes durch den Richter (Hoffmann FamRZ 17, 337, 342). Von dieser Ausnahmevorschrift sollte deshalb zurückhaltend Gebrauch gemacht werden (MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 52; krit auch Rüth ZKJ 11, 48, 50), bspw dann, wenn bereits ein Gutachten vorliegt, in dem psychiatrische Diagnosen ausgeschlossen wurden (MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 53; FAKomm-FamR/Ziegler § 167 Rz 11; Saarbr FamRZ 10, 1920). Ist von vornherein die Unterbringung in einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung beabsichtigt, wird auch gefordert, regelmäßig sowohl ein kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten als auch ein sozialpädagogisches Gutachten einzuholen, weil bei Kindern in diesen Einrichtungen ganz überwiegend auch eine psychiatrische Symptomatik vorliegt (Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 35; Hoffmann FamRZ 17, 337, 342). Ein Gutachter ist in der Heimerziehung ›ausgewiesen‹, wenn er über besondere Kenntnisse und praktische Erfahrung mit offenen und geschlossenen Jugendhilfeeinrichtungen verfügt und das Selbst- und Fremdgefährdungspotenzial eines Minderjährigen kompetent einzuschätzen vermag (Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 35; Musielak/Borth/Borth/Grandel § 167 Rz 11; wohl strenger MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 54: wenn seine Fähigkeit und Erfahrung das durchschnittliche Können seiner Fachkollegen übertrifft; vgl auch Saarbr FamRZ 10, 1920 für einen Psychologen, der 25 Jahre lang in der größten kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik tätig war, zuletzt als leitender Psychologe).
Rn 42
Bei freiheitsentziehenden Maßnahmen genügt anstelle eines Gutachtens ein ärztliches Zeugnis, Abs 6 S 3. Dies entspricht der Regelung des § 321 II. Aus der Verweisung auf S 1 folgt, dass auch das ärztliche Zeugnis von einem Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie erteilt werden soll. Der Arzt muss den Minderjährigen vor der Erstattung des Gutachtens ärztlichem Standard entspr persönlich untersuchen oder befragen; ein Zeugnis nach Aktenlage genügt grds nicht (BTDrs 18/11278, 19; Zö/Lorenz § 167 Rz 8).