Gesetzestext
Abstammungssachen sind Verfahren
1. |
auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses, insbesondere der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft, |
2. |
auf Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Anordnung der Duldung einer Probeentnahme, |
3. |
auf Einsicht in ein Abstammungsgutachten oder Aushändigung einer Abschrift oder |
4. |
auf Anfechtung der Vaterschaft |
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 169 FamFG enthält einen abschließenden Katalog von Abstammungssachen gem §§ 169–185, die unter dem alten Recht als ›Kindschaftssachen‹ nach § 640a ZPO aF bezeichnet wurden. Nach § 169 beschäftigen sich Abstammungssachen mit dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Verwandtschaftsverhältnisses eines Kindes zu seinen Elternteilen. Abstammungssachen sind einheitlich als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet, daher finden die §§ 1–494a ZPO keine Anwendung, sondern die §§ 1–120 FamFG, soweit die §§ 170–185 FamFG keine vorrangigen Sonderregelungen enthalten. Abstammungsfragen werden grds nur iR eines Verfahrens nach § 169 behandelt; diese können nicht inzident in einem anderen Verfahrens, zB einem Unterhalts- und Erbrechtsstreit, geklärt werden (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Hilbig-Lugani Rz 3, 13, 25; Prütting/Helms/Stößer Rz 4).
B. Abstammungssachen im Einzelnen.
I. Nr. 1: Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses.
Rn 2
In den Anwendungsbereich der Nr 1 fallen insb Anträge auf Feststellung einer Vaterschaft nach § 1600d BGB. Eine solche Feststellung ist freilich nur dann möglich, wenn kein anderer als Mann (als Ehemann gem § 1592 Nr 1 BGB, wegen Anerkennung gem § 1592 Nr 2 BGB oder gem § 1593 BGB) anzusehen ist. In diesem Fall muss die rechtliche Vaterschaft erst durch Anfechtung beseitigt werden. Ein Verfahren auf Feststellung, dass ein Kind nicht von seinem rechtlichen Vater abstammt, ist unzulässig (BGH NJW 07, 1677, 1681 [BGH 06.12.2006 - XII ZR 164/04] Rz 41f). Der Antrag des Ehemannes oder des anerkennenden Mannes gegen die Wirkung des § 1592 Nr 1, 2 BGB wird nur in Ausnahmefällen möglich sein, zB bei Unterschiebung oder Verwechselung des Kindes. Möglich ist freilich die Feststellung der (Un-)Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung hinsichtlich der Frage, ob diese den Anforderungen der §§ 1594–1597 BGB genügt. Ein solches Verfahren betrifft aber nur die Wirksamkeit der Anerkennung, nicht das Vorliegen der genetischen Vaterschaft selbst. Die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft aufgrund fehlender genetischer Abstammung muss durch Anfechtung im Verfahren gem Nr 4 erfolgen, die rechtsfolgenlose Klärung gem § 1598a BGB. Ein Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Mutterschaft kommt nur in Betracht, wenn die betreffende Frau nicht die Gebärende ist, zB bei Kindesverwechselung.
II. Nr. 2: Ersetzung der Einwilligung in genetische Abstammungsuntersuchung und Anordnung der Duldung einer Probeentnahme.
Rn 3
Nr 2 schafft die Grundlagen für die rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung gem § 1598a BGB. Anspruchsteller und Anspruchsgegner können nach § 1598a BGB nur die rechtlichen Eltern und das Kind sein, nicht aber der potenzielle Erzeuger (BVerfG NJW 16, 1939 [BVerfG 19.04.2016 - 1 BvR 3309/13]).
III. Nr. 3: Einsicht in ein Abstammungsgutachten oder Aushändigung einer Abschrift.
Rn 4
Nr 3 bezieht sich ebenfalls auf die rechtsfolgenlosen Abstammungsklärung gem § 1598a BGB.
IV. Nr. 4: Anfechtung der Vaterschaft.
Rn 5
Nr 4 bezieht sich auf die Anfechtung der Vaterschaft gem § 1592 BGB nach §§ 1600 ff BGB mit ex-tunc-Wirkung einschließlich der postmortalen Vaterschaftsanfechtung (BTDrs 16/6308, 244). Es handelt sich dabei um ein Gestaltungsverfahren, das nur durch einen verfahrensleitenden Antrag (§ 171) eingeleitet werden kann.
C. Verfahrenskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung.
Rn 6
Bei unbekanntem Aufenthalt des Antragsgegners spricht das Fehlen der Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung nicht gegen die zur Gewährung von VKH notwendigen Erfolgsaussichten. Anwaltliche Vertretung ist (außer im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH, § 10 IV) nicht vorgeschrieben. Ein Rechtsanwalt kann aber auf Antrag gem § 78 II bei besonders schwieriger Sach- und Rechtslage beigeordnet werden, zB wenn ein Sachverständigengutachten erforderlich wird (Schlesw NJW-RR 11, 506 [OLG Hamm 21.09.2010 - II-2 WF 117/10]).