Gesetzestext
(1) Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft dürfen von den beteiligten Personen nicht vorgebrachte Tatsachen nur berücksichtigt werden, wenn sie geeignet sind, dem Fortbestand der Vaterschaft zu dienen, oder wenn der die Vaterschaft Anfechtende einer Berücksichtigung nicht widerspricht.
(2) 1Über die Abstammung in Verfahren nach § 169 Nr. 1 und 4 hat eine förmliche Beweisaufnahme stattzufinden. 2Die Begutachtung durch einen Sachverständigen kann durch die Verwertung eines von einem Beteiligten mit Zustimmung der anderen Beteiligten eingeholten Gutachtens über die Abstammung ersetzt werden, wenn das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der im Gutachten getroffenen Feststellungen hat und die Beteiligten zustimmen.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes gem § 26 im Anfechtungsverfahren zugunsten einer beschränkten Parteiherrschaft, da idR kein öffentliches Interesse an der Beseitigung einer bestehenden Eltern-Kind-Beziehung besteht.
B. Amtsermittlung gem § 26.
Rn 2
Der Untersuchungsgrundsatz des § 26 sieht für Verfahren nach dem FamFG die Durchführung von Ermittlungen vAw unter Heranziehung sämtlicher der Sachaufklärung dienlicher und erreichbarer Beweismittel und insoweit unabhängig vom Vorbringen der Beteiligten vor. Daneben ist in entsprechender Anwendung des § 244 StPO den förmlichen Beweisanträgen der Parteien nachzugehen (Musielak/Borth/Borth/Grandel Rz 2, 5). An die Schlüssigkeit eines Anfechtungsantrags sind insoweit keine geringeren Anforderungen zu stellen und die Anfechtungsvoraussetzungen daher durch den Anfechtenden darzulegen (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 1).
Rn 3
Speziell für Abstammungsverfahren macht dies idR die Einholung eines Abstammungsgutachtens erforderlich, welches gegenüber der förmlichen Vernehmung von Zeugen die höhere Objektivität aufweist. Auch hohe Kosten stehen dem nach Ansicht des BVerfG nur im Ausnahmefall entgegen. Eine ›Vorenthaltung erlangbarer Informationen‹ sei mit der Menschenwürde und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit unvereinbar (BVerfG FamRZ 10, 1879). Aus Gründen der Sicherheit der Feststellung ist vorrangig ein DNA-Abstammungsgutachten vor einer biostatischen Begutachtung in Form eines Blutgruppengutachtens einzuholen (Musielak/Borth/Borth/Grandel Rz 3, 4).
C. Eingeschränkte Amtsermittlung, § 177 I.
I. Umfang der Einschränkung.
Rn 4
§ 177 I durchbricht teilw den Amtsermittlungsgrundsatz für Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft (§ 169 Nr 4). Hintergrund der Beschränkung ist das regelmäßig fehlende öffentliche Interesse an der Beseitigung einer rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung, auch wenn es sich um eine Scheinvaterschaft handelt (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 3, 6).
Rn 5
Gegen den Widerspruch des Anfechtenden und ohne Parteivorbringen dürfen in Verfahren nach § 169 Nr 4 nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die einer Anfechtung entgegenstehen und für den Erhalt der Vaterschaft sprechen, also ›anfechtungsfeindlich‹ sind (Keidel/Engelhardt FamFG Rz 3). Für solche anfechtungsfeindlichen Tatsachen gilt der Amtsermittlungsgrundsatz unbeschränkt (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 3). Insofern besteht Übereinstimmung mit der Regelung des § 127 II für die Verfahren auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe (Keidel/Engelhardt Rz 1). Beispielhaft anzuführen sind Tatsachen, die auf den Ablauf der Anfechtungsfrist oder das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind hindeuten.
Rn 6
Demgegenüber dürfen ›anfechtungsfreundliche‹ und damit das Antragsziel stützende Tatsachen nur in das Verfahren eingebracht werden, wenn ein Beteiligter sie vorgebracht und der Anfechtende ihrer Verwertung nicht widersprochen hat, zB der Mehrverkehr der Mutter während der Empfängniszeit. Dem Erfordernis des Widerspruchs ist bereits dann genügt, wenn der Anfechtende zwar im Einzelfall nicht ausdr widersprochen hat, aber seinerseits eindeutige und widerspruchsfreie Tatsachen vorgebracht hat, die mit den sonstigen Tatsachen offensichtlich nicht im Einklang stehen (Keidel/Engelhardt Rz 4, 5). Im Gegensatz zu einem solchen stillschweigenden Widerspruch nicht ausreichend ist aber die bloße Nichtübernahme einer Tatsache in den eigenen Sachvortrag (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 4).
II. Folgen der Einschränkung.
Rn 7
Von dem Verbot des Abs 1 erfasst sind nur Tatsachen, nicht aber die Anwendung bestimmter Beweismethoden oder Rechtsansichten (HK-ZPO/Kemper FamFG Rz 3). Über den Wortlaut hinaus unerheblich ist, ob die dem Verwertungsverbot unterliegenden Tatsachen vAw durch das Gericht oder von den übrigen Beteiligten in das Verfahren eingebracht worden sind (Keidel/Engelhardt Rz 4). Die fehlerhafte Berücksichtigung bzw Nichtberücksichtigung einer Tatsache stellt einen Verfahrensfehler, nicht aber einen wesentlichen Mangel iSd § 69 I S 3 dar, sodass das Beschwerdegericht in der Sache selbst zu entscheiden und den Fehler zu heilen hat und damit eine Rückverweisung an das Gericht der ersten Instanz ausgeschlossen ist (Haußleiter/Eickelmann Rz 9).
III. Entsprechende Anwendung.
Rn 8
Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt im Fall der...