Rn 38
Während die Zulässigkeit des Antrags lediglich voraussetzt, dass eine wesentliche Veränderung der der Ausgangsentscheidung zugrunde liegenden Verhältnisse schlüssig dargetan wird, erfordert die Begründetheit des Antrags, dass sich die behaupteten Tatsachen als wahr und die Veränderung als wesentlich erweisen (Hs 1). Die Abänderung darf nur unter Wahrung der Grundlagen der Ausgangsentscheidung erfolgen (Hs 2).
1. Vorliegen einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse (Hs 1).
Rn 39
Der Abänderungsantrag ist begründet, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass eine wesentliche Änderung der für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist.
Rn 40
›Wesentlich‹ ist eine Veränderung, wenn sie, ihre damalige Voraussehbarkeit unterstellt, in einer nicht unerheblichen Weise zu einer anderen Beurteilung des Bestehens, der Höhe oder der Dauer des Anspruchs führt (BGH FamRZ 84, 353 [BGH 26.01.1983 - IVb ZR 347/81]). Aufgrund der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung können sich erhebliche Veränderungen bei einzelnen Bemessungskriterien auch gegeneinander aufheben, sodass eine Wesentlichkeit zu verneinen ist. Häufig wird angenommen, dass eine Änderung von etwa 10 % des Unterhaltsanspruchs als wesentlich anzusehen sei (Karlsr FuR 15, 247; Dresd FamRZ 09, 1693); es handelt sich nicht um eine schematische Grenze, sondern nur um einen Richtwert, der unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls flexibel zu handhaben ist (Hamm FamRZ 12, 53; Brandbg 27.11.07 – 10 UF 33/07, juris; bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen kann der Prozentsatz auch darunter liegen (BGH FamRZ 92, 539; Hamm NJW 07, 1215). Ob eine Veränderung wesentlich ist, prüft und entscheidet das Gericht anhand der individuellen Verhältnisse im Einzelfall (BGH FamRZ 92, 539; 86, 790; Ehinger NJW 14, 3352, 3353). Zum Begriff der Wesentlichkeit gehört auch eine gewisse Nachhaltigkeit; eine nur kurzfristige Arbeitslosigkeit wird nicht ausreichend sein (Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 197; BGH FamRZ 96, 345). Bei einem in mehrere Unterhaltsbestandteile (zB Elementar-, Altersvorsorge- und Krankenvorsorgeunterhalt) aufgeteiltem abzuändernden Unterhalt ist auf den Veränderungsbetrag bei dem geltend gemachten neuen Gesamtunterhaltsanspruch, nicht hingegen bei den einzelnen Unterhaltsbestandteilen, abzustellen. Die verschiedenen Bestandteile des Gesamtbedarfs sind keine eigenständigen Unterhaltsansprüche, sondern stellen unselbstständige Teile des einheitlichen Gesamtunterhaltsanspruchs dar (Brandbg FamRB 20, 140).
Rn 41
Der Abänderungsantragsteller ist darlegungs- und beweisbelastet für die Umstände, die sein Abänderungsbegehren rechtfertigen sollen (Prütting/Helms/Bömelburg § 238 Rz 111 ff; Keidel/Meyer-Holz § 238 Rz 87; BGH FamRZ 17, 370; 07, 200).
Rn 42
Der unterhaltsberechtigte Abänderungsantragsgegner trägt demgegenüber die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die aufgrund anderer Unterhaltstatbestände die Aufrechterhaltung des Unterhaltstitels rechtfertigen, wenn im Abänderungsverfahren bereits feststeht, dass der dem abzuändernden Titel zugrunde gelegte Unterhaltstatbestand aufgrund veränderter Umstände weggefallen ist (BGH FamRZ 17, 370; 09, 1391; 90, 496). Stammt der abzuändernde Titel aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes, muss das volljährig gewordene Kind als Abänderungsantragsgegner im Abänderungsverfahren den Fortbestand seines Unterhaltsanspruchs und damit auch die auf die jeweiligen Elternteile entfallenden Haftungsanteile dartun und beweisen (BGH FamRZ 17, 370; KG FamRZ 16, 379, 380; 94, 765; Naumbg NJW-RR 15, 197, 198; Bremen FamRZ 12, 383, 384; Köln FamFR 12, 438; NJWE-FER 00, 144, 145; Brandbg FamRZ 04, 552, 553; 03, 48, 49; Hamm FamRZ 00, 904).
2. Bindung an die Ausgangsentscheidung (Hs 2).
Rn 43
Steht fest, dass eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist, ist die abzuändernde Entscheidung ›unter Wahrung ihrer Grundlagen‹ anzupassen (BGH FamRZ 15, 1694; 12, 281; 10, 1318; Brandbg FamFR 10, 464; Jena NJW 09, 2839); die Abänderung ermöglicht weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits in der Erstentscheidung eine Bewertung erfahren haben (BGH FamRZ 15, 1694; 10, 1318). Grund hierfür ist die Wahrung der materiellen Rechtskraft der Erstentscheidung. Das Abänderungsverfahren soll nicht der Fehlerkorrektur generell, sondern nur der Korrektur einer Fehlprognose dienen. Unverändert gebliebene Umstände sollen auch eine unveränderte rechtliche Bewertung erfahren, das Abänderungsverfahren nicht zum ›Superrechtsmittel‹ werden (zB Bork/Jacoby/Schwab/Hütter-Kodal § 238 Rz 49; Keidel/Meyer-Holz § 238 Rz 94; Graba NZFam 19, 109f). Die Abänderung darf nicht weitergehen als aus Gründen der veränderten Verhältnisse notwendig (BGH MDR 01, 765). Dies gilt auch, wenn es sich nicht um eine kontradiktorische Entscheidung mit entsprechenden Tatsachenfeststellungen, sondern um einen Anerkenntnisbeschluss oder um eine Säumnisentscheidung handelt; auch deren materielle Rechtskraft führt grds zur Bindungswirkung (BG...