Gesetzestext
(1) Enthält ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung oder eine vollstreckbare Urkunde eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen.
(2) Die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Abänderung von nicht der Rechtskraft fähigen, aber gleichwohl bindenden Unterhaltstiteln, die eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthalten und findet ihre Entsprechung in § 323a ZPO.
B. Zulässigkeit (Abs 1).
I. Anwendungsbereich: Gerichtliche Vergleiche oder vollstreckbare Urkunden (Abs 1 S 1).
Rn 2
Die Vorschrift bestimmt in Abs 1 S 1 ihren Anwendungsbereich: Prozessvergleiche nach § 794 Abs 1 Nr 1 ZPO und vollstreckbare Urkunden unterliegen der Abänderung, sofern sie eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthalten.
1. Vergleiche.
Rn 3
Der Abänderung nach § 239 unterliegen zunächst Vergleiche nach § 794 I Nr 1 ZPO; es muss sich um einen wirksam geschlossenen Verfahrensvergleich handeln; unerheblich ist, ob dieser gem § 113 I 1 iVm § 160 ZPO protokolliert wurde oder ob sein Zustandekommen durch Beschluss gem § 113 I 1 iVm § 278 VI 2 ZPO festgestellt wurde. Auch ein im VKH-Prüfungsverfahren geschlossener Vergleich ist nach § 239 abänderbar (Prütting/Helms/Bömelburg § 239 Rz 7; Keidel/Meyer-Holz § 239 Rz 5). Gleiches gilt für Anwaltsvergleiche, die gem §§ 796a–796c ZPO durch Beschluss für vollstreckbar erklärt wurden (BGH FamRZ 06, 261; Prütting/Helms/Bömelburg § 239 Rz 8; Keidel/Meyer-Holz § 239 Rz 6). Privatschriftliche Unterhaltsvereinbarungen und außergerichtliche Vergleiche schaffen keine Vollstreckungstitel und können selbst dann nicht nach § 239 abgeändert werden, wenn die Beteiligten die Abänderbarkeit vereinbaren (J/H/A/Hammermann § 239 Rz 23; Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 256).
Rn 4
Wurde ein Vergleich iR eines einstweiligen Anordnungsverfahrens geschlossen, kommt eine Abänderung nach § 239 nur in Betracht, wenn dieser eine endgültige und nicht nur eine vorläufige Regelung enthält; ob dies der Fall ist, muss durch Auslegung ermittelt werden (BGH FamRZ 18, 1343; Köln FamRZ 15, 598; Jena FamRZ 12, 54). Enthält der Vergleich eine nur vorläufige Regelung, hat der Antragstellende die Wahl, ob er entweder gem § 54 Abänderung beantragt oder einen negativen Feststellungsantrag stellt (BGH FamRZ 18, 1343; Jena FamRZ 12, 54; Keidel/Giers § 54 Rz 2). Ein gleichwohl gestellter Abänderungsantrag nach § 239 kann gem § 140 BGB in einen Antrag nach § 54 umgedeutet werden.
Rn 5
Der Vergleich muss wirksam und vollstreckbar sein; hierauf ist bereits bei der Protokollierung dringend zu achten, die den §§ 160 III Nr 1, 162 I, 163 ZPO entsprechen muss. Der Vergleichstext muss bei einer vorläufigen Aufzeichnung vorgespielt und genehmigt werden, § 162 I ZPO. Das laute Diktieren ersetzt das Abspielen nicht (Saarbr, Beschl v 4.9.19 – 9 UF 21/19, juris zu § 156 II; Oldbg FamRZ 17, 1333; vgl § 162 ZPO Rn 3). Zudem ist – auch bei einem im schriftlichen Verfahren erlassenen Feststellungsbeschluss gem § 113 I 2 iVm § 278 VI ZPO – auf einen vollstreckungsfähigen Inhalt zu achten. Erforderlich ist, dass der Vergleich den Anspruch des Berechtigten konkret ausweist sowie Inhalt und Umfang der vereinbarten Leistungspflicht bezeichnet. Der zu vollstreckende Zahlungsanspruch muss betragsmäßig festgelegt sein oder sich ohne Weiteres errechnen lassen (Keidel/Meyer-Holz § 239 Rz 4). Sieht ein Unterhaltsvergleich eine Anpassung der Unterhaltsrente nach einer Wertsicherungsklausel vor, die auf einem vom Statistischen Bundesamt erstellten Preisindex Bezug nimmt, hat er einen ausreichend bestimmten Inhalt (BGH FamRZ 04, 531; vgl auch AG Flensburg FamRZ 10, 1808 zu nicht mehr erstelltem Index). Die Anrechnungsklausel ›unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge‹ ist nicht hinreichend bestimmt (BGH FamRZ 06, 621; München OLGR 08, 133: ›wobei die bereits hierauf geleisteten Zahlungen abzuziehen sind‹).
2. Vollstreckbare Urkunden.
Rn 6
Vollstreckbare Urkunden iSv § 239 sind insb gerichtliche oder notarielle Urkunden gem § 794 I Nr 5 ZPO sowie bei einem Jugendamt errichtete Urkunden nach §§ 59, 60 SGB VIII, mit denen ein Vollstreckungstitel über Unterhalt minderjähriger und volljähriger Kinder bis zum vollendeten 21. Lebensjahr und Unterhalt gem § 1615l BGB errichtet werden kann, § 59 I Nr 3, 4 SGB VIII (BGH FamRZ 17, 370). Auch der Inhalt der Urkunde muss hinreichend bestimmbar sein (s.o. Rn 5). Der Schuldner muss sich wegen der laufenden Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen haben, § 794 I Nr 5 ZPO. Fehlt die Unterwerfungserklärung, handelt es sich um eine außergerichtliche Unterhaltsverreinbarung, die selbst dann nicht der Abänderung nach § 239 zugänglich ist, wenn die Beteiligten dies ausdr vereinbart haben (Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 273).
Rn 7
Die Vorschrift des § 239 differenziert nicht danach, ob der festgesetzte Unterhaltsb...