Gesetzestext
(1) Auf Antrag wird der Unterhalt eines minderjährigen Kindes, das mit dem in Anspruch genommenen Elternteil nicht in einem Haushalt lebt, im vereinfachten Verfahren festgesetzt, soweit der Unterhalt vor Berücksichtigung der Leistungen nach § 1612b oder § 1612c des Bürgerlichen Gesetzbuchs das 1,2fache des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht übersteigt.
(2) Das vereinfachte Verfahren ist nicht statthaft, wenn zum Zeitpunkt, in dem der Antrag oder eine Mitteilung über seinen Inhalt dem Antragsgegner zugestellt wird, über den Unterhaltsanspruch des Kindes entweder ein Gericht entschieden hat, ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Schuldtitel errichtet worden ist.
A. Allgemeines.
Rn 1
Der Unterabschn 3 enthält besondere Verfahrensvorschriften betreffend das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger. Um die unterhaltsrechtliche Position minderjähriger Kinder zu stärken, wurde erstmalig gem Art 3 Nr 9 KindUG (v 6.4.98, BGBl I, 666) mWz 1.7.98 mit dem vereinfachten Verfahren ein neues verfahrensrechtliches Instrument zur Festsetzung des Unterhalts geschaffen. Die Vorschriften der §§ 249–260 entsprechen den §§ 645 ff ZPO aF. Sie wurden zuletzt durch Art 2 iVm Art 10 des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der ZPO und kostenrechtlichen Vorschriften v 20.11.15 (BGBl I, 2018) mWz 1.1.17 geändert. Kernstück der Reform ist der Wegfall des Formularzwangs für den Antragsgegner; geändert wurden die §§ 251–256 (zur Reform vgl zB Borth FamRZ 17, 274; Bömelburg FamRB 16, 27). Gem § 493 II sind auf vereinfachte Verfahren, die bis zum 31.12.16 beantragt wurden, die §§ 249–260 in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.
Rn 2
Das vereinfachte Verfahren ist ein nur summarisches Verfahren, das in hierfür geeigneten Fällen eine schnelle Titulierung und vollstreckungsfähigen Festsetzung von Unterhalt zur Existenzsicherung minderjähriger Kinder anstelle eines langwierigen mehrstufigen Verfahrens bezweckt. In der Praxis wird das vereinfachte Verfahren insb von den örtlichen Jugend- bzw. Sozialbehörden iRd Beistandschaft für das Kind oder im Wege des Unterhaltsregresses genutzt (BTDrs 18/5918, 2).
B. Allgemeine Voraussetzungen (Abs 1).
I. Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Verfahren.
Rn 3
Mit dem vereinfachten Verfahren können ausschließlich Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder festgesetzt werden; für Unterhaltsansprüche privilegierter Volljähriger, die den minderjährigen Kindern unterhaltsrechtlich gleichgestellt sind (§§ 1603 II 2, 1609 Nr 1 BGB), steht das vereinfachte Verfahren nicht zur Verfügung. Unter die Regelung fallen auch verheiratete Minderjährige, obgleich sie gem § 1609 Nr 4 BGB unterhaltsrechtlich nachrangig sind (Keidel/Giers § 249 Rz 3 mwN).
Rn 4
Gem § 113 II gelten in Familienstreitsachen die Vorschriften über das Mahnverfahren (§§ 688 ff ZPO) entspr. Im Mahnverfahren können zwar rückständige Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden; künftiger Unterhalt demgegenüber nicht. Soweit hinsichtlich aufgelaufener Unterhaltsrückstände ein Wahlrecht besteht, muss beachtet werden, dass der Nachweis einer Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs gem § 850d I 1 ZPO nicht durch Vorlage eines Vollstreckungsbescheids geführt werden kann; das Mahnverfahren ist nicht dazu bestimmt, zur Vorbereitung der privilegierten Vollstreckung den Schuldgrund feststellen zu lassen (BGH FamRZ 16, 1080).
Rn 5
Hinsichtlich des beanspruchten laufenden Unterhalts besteht ein Wahlrecht zwischen dem vereinfachten Festsetzungsverfahren und der Durchführung eines streitigen Unterhaltsverfahrens, solange nicht mehr als das 1,2-Fache des Mindestunterhalts geltend gemacht werden soll (BTDrs 13/7338, 37); dem ASt steht für beide Verfahrensarten ein Anspruch auf Bewilligung von VKH zu. Der auf VKH angewiesene Unterhaltsberechtigte verhält sich nicht mutwillig iSv § 113 I 2 iVm § 114 II ZPO, wenn er seinen Unterhaltsanspruch im streitigen Verfahren verfolgt, obwohl der Unterhaltsverpflichtete auf sein außergerichtliches Auskunfts- oder Zahlungsverlangen nicht reagiert hat (Bremen FamRZ 18, 1589; Köln FamRB 02, 106; aA Hamm FamRZ 99, 995).
II. Antragsteller.
1. Kind bzw betreuender Elternteil.
Rn 6
Das vereinfachte Verfahren wird auf Antrag eingeleitet. Minderjährige Kinder werden durch den Elternteil vertreten, dem die elterliche Sorge zusteht. Bei gemeinsamer Sorge der Eltern ist der Elternteil vertretungsberechtigt, in dessen Obhut sich das Kind befindet, § 1629 II 2 BGB. Sind die getrennt lebenden Eltern miteinander verheiratet, kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, § 1629 III 1 BGB. Das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger ist unzulässig, wenn das Kind bei keinem Elternteil lebt und deshalb beide Eltern barunterhaltspflichtig sind (Stuttg FamRZ 14, 1473; Keidel/Giers § 249 Rz 11; ThoPu/Hüßtege § 249 Rz 4). Gleiches gilt bei einer Betreuung des Kindes im paritätischen Wechselmodell (vgl unten Rn 10).
Rn 7
Das verei...