Gesetzestext
(1) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken.
(2) Die Beteiligten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
A. Normzweck.
Rn 1
Mit der Mitwirkungspflicht der Beteiligten wird ein Grundanliegen des Verfahrensrechts verwirklicht, alle möglichen und zulässigen Aufklärungsmittel und Aufklärungsbeiträge dem Gericht zur Verfügung zu stellen. Die Soll-Vorschrift des Abs 1 bedeutet eine zwingende Mitwirkungspflicht für die Beteiligten, allerdings ohne Sanktionsmöglichkeit.
B. Mitwirkung (Abs 1).
Rn 2
Die Pflicht zur Mitwirkung ergänzt den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 26). Der Umfang der Mitwirkungspflicht der Beteiligten richtet sich nach der jeweiligen Verfahrensart und erhöht sich dort, wo das Gericht auf eine solche Mitwirkung angewiesen ist. Die Mitwirkungspflicht geht nicht über den Bereich der Amtsermittlung (§ 26) hinaus und endet jedenfalls, wenn ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorläge. § 27 kann daher (ebenso wenig wie die §§ 26 und 29) keine Grundlage für die Anordnung einer körperlichen und psychiatrischen Untersuchung bilden (Nürnbg FamRZ 14, 677). In Betreuungssachen kann nicht die Vorlage eines ärztlichen Attests verlangt werden (BGH FamRZ 11, 556).
Rn 3
Bei Verweigerung der Mitwirkung sieht § 27 keine Sanktionsmöglichkeit vor. Allerdings kann eine Verletzung von Mitwirkungspflichten durch die Beteiligten im Einzelfall zur Verkürzung der richterlichen Amtsermittlung führen. Vor einer Verkürzung richterlicher Tätigkeit sind vom Gericht die entscheidenden Umstände wie der Grad der Pflichtverletzung, die Verhältnismäßigkeit der Mitwirkung durch den Beteiligten bzw. durch das Gericht und die Zumutbarkeit einer Mitwirkungshandlung abzuwägen (P/H/Prütting Rz 9).
C. Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (Abs 2).
Rn 4
Die Wahrheitspflicht bedeutet für die Beteiligten eine Verpflichtung zur subjektiven Wahrheit. Es geht weder um die objektive Wahrheit noch um das Verbot von Behauptungen, die nur vermutet werden. Vielmehr soll allein die bewusste prozessuale Lüge ausgeschlossen werden. IE darf ein Beteiligter also vortragen, er halte gewisse Ereignisse für wahrscheinlich oder er vermute einen gewissen Zusammenhang. Auch Behauptungen, die nur aufs Geratewohl gemacht werden, stellen keinen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht dar.
Rn 5
In Ergänzung zur Wahrheitspflicht sieht Abs 2 auch eine Pflicht zum vollständigen Vortrag vor. Zum Ausdruck soll dabei insb kommen, dass ein Beteiligter durch ein bewusst und gezielt lückenhaftes Vorbringen von Behauptungen nicht den Sachverhalt absichtlich verfälschen darf.
Rn 6
Wie Abs 1 sieht auch eine Verletzung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht keine Sanktion vor. Das Gericht kann aber auch hier das Verhalten der Beteiligten frei würdigen.