Gesetzestext
(1) Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt.
(2) Eine förmliche Beweisaufnahme hat stattzufinden, wenn es in diesem Gesetz vorgesehen ist.
(3) Eine förmliche Beweisaufnahme über die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung soll stattfinden, wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung dieser Tatsache stützen will und die Richtigkeit von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten wird.
(4) Den Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, soweit dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich ist.
A. Normzweck.
Rn 1
Der in § 30 geregelte Strengbeweis ist eng mit dem verfahrensmäßigen Gegensatz in § 29 (Freibeweis) verbunden. Der Gesetzgeber hat ganz bewusst die beiden möglichen Formen eines Beweisverfahrens in abstrakter Form in den §§ 29, 30 ausdrücklich geregelt. Im Rahmen der förmlichen Beweisaufnahme geht es im Kern darum, dass der Richter sein Beweisverfahren nach den strikten Regeln der ZPO gestaltet und dabei insbesondere auf die im Gesetz genannten fünf Beweismittel beschränkt ist. Ein selbstständiges Beweisverfahren (§§ 485 ff ZPO) ist zulässig (Hambg FamRB 20, 284).
B. Der Strengbeweis.
Rn 2
Der Begriff des Strengbeweises ist im Gesetz nicht enthalten. Der Gesetzgeber spricht vielmehr von einer förmlichen Beweisaufnahme und meint damit entsprechend der Regelung in Abs 1 diejenige Beweisaufnahme, bei der alle Normen des zivilprozessualen Beweisrechts beachtet und eingehalten werden. Mit der Wahrung des Strengbeweises sollen vor allem Rechtssicherheit und Rechtsklarheit beim Beweisverfahren und bei der Erzielung des Beweisergebnisses erreicht werden. Die zentrale Frage des Strengbeweises in der fG ist der vom Gesetz gemachte Versuch, die beiden Beweisverfahren mit möglichst großer Eindeutigkeit und Rechtsklarheit voneinander abzugrenzen. Dem dienen neben dem Grundsatz in Abs 1 insbesondere die Abs 2 und 3. Besondere Probleme wirft das Betreuungs- und Unterbringungsverfahren auf, das grds nach § 29 abzuwickeln ist, das aber gem § 280 I und § 321 I jew zwingend ein Sachverständigengutachten im Wege einer förmlichen Beweisaufnahme verlangt.
C. Die Kriterien zur Wahl des Verfahrens (Abs 1, 2, 3).
Rn 3
Nach der allgemeinen Grundregel des Abs 1 steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt wird oder ob der Freibeweis in Betracht kommt. Soweit allerdings dem Gesetz keine ermessensleitenden Erwägungen zu entnehmen sind, steht dem Gericht im Einzelfall eine gewisse Freiheit der Wahl des Beweisverfahrens nach dem jeweiligen Normzweck zu. Das Gesetz hat den Beteiligten kein förmliches Antragsrecht auf Durchführung eines Strengbeweises zugebilligt.
Rn 4
Nach Abs 2 ist eine förmliche Beweisaufnahme zwingend, wenn sie in diesem Gesetz vorgesehen ist. In Abstammungssachen ist hier auf § 177 II hinzuweisen; beim Verfahren in Betreuungssachen ist § 280 I zu beachten; für den speziellen Fall der Sterilisation ist auf § 297 VI hinzuweisen; schließlich ist im Verfahren in Unterbringungssachen § 321 I zu berücksichtigen.
Rn 5
In Abs 3 ist eine zwingende Anordnung in Form einer Soll-Vorschrift enthalten, wonach das Gericht den Strengbeweis wählt, wenn es seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung einer Tatsache stützen will und die Richtigkeit dieser Tatsache von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten wird. Abs 3 setzt voraus, dass bereits eine gewisse richterliche Überzeugungsbildung auf der Basis eines Freibeweises gegeben ist, die zu dem Ergebnis führt, dass eine bestimmte Tatsache gegeben ist, auf die das Gericht seine Entscheidung maßgeblich stützen will und deren Richtigkeit andererseits von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten wird. Zunächst muss also eine entscheidungserhebliche Tatsache gegeben sein, weiterhin muss diese Tatsache vom Gericht vorläufig für wahr gehalten werden und schließlich muss die Tatsache von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten werden. Abs 3 soll also insbesondere die Verfahrensrechte eines die Tatsachen bestreitenden Beteiligten schützen. Deshalb wird man verlangen müssen, dass dieser Beteiligte die entscheidungserhebliche Tatsache ganz konkret benennt und bestreitet und nicht nur ein pauschales allgemeines Bestreiten des gesamten Vorbringens geltend macht.
D. Gelegenheit zur Stellungnahme (Abs 4).
Rn 6
Abs 4 bringt in Übereinstimmung mit dem Grundsatz des § 37 II zum Ausdruck, dass es schon im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 I GG), aber auch im Hinblick auf die Wahrung der Rechte der Beteiligten im Beweisverfahren grds erforderlich ist, den Beteiligten die Möglichkeit einzuräumen, sich zum Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme zu äußern.