Gesetzestext
(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.
(2) Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Das Gericht kann mit der einstweiligen Anordnung auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnungen treffen.
A. Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen.
Rn 1
Der 4. Abschn regelt den einstw Rechtsschutz sowohl in fG-Familiensachen als auch – mangels Erwähnung der §§ 49 ff in § 113 I 1 – in Ehe- u Familienstreitsachen. Für Letztere folgt dies zusätzlich aus § 119 I 1. Wie im einstw Rechtsschutz nach der ZPO ist das EA-Verfahren in Familiensachen ein selbstständiges u v der Hauptsache unabhängiges Verfahren (BTDrs 16/6308, 226). Die EA tritt in Familiensachen an die Stelle der zivilprozessualen eV (Stuttg FamRZ 12, 1410; Karlsr FamRZ 11, 234). Der Arrest bleibt demgegenüber in Familienstreitsachen gem § 119 II 1 weiterhin zulässig u § 119 II 2 erklärt insoweit die §§ 916 ff, 943 ff ZPO entspr anwendbar. Spezialregelungen enthält das FamFG für einzelne Familiensachen in § 156 III (Aufenthalt, Herausgabe u Umgang Kind), § 157 III (Gefährdung Kindeswohl), § 214 (Gewaltschutz) u §§ 246 ff (Unterhalt, einschl Verfahrenskostenvorschuss) sowie für die Anordnungsbefugnis des Beschwerdegerichts (§ 64 III). Eine Sondervorschrift enthält darüber hinaus § 15 IntFamRVG.
B. Norminhalt.
I. Übersicht.
Rn 2
Während I abschließend die Voraussetzungen für den Erlass einer EA normiert, regelt II nicht abschließend deren möglichen Inhalt. Dabei soll die Formulierung ›kann‹ dem Gericht kein Ermessen, sondern nur die Entscheidungskompetenz einräumen (Keidel/Giers Rz 14).
II. Anordnungsanspruch und -grund, Rechtsschutzbedürfnis.
Rn 3
Der Erlass einer EA erfordert das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs u eines Anordnungsgrundes. Die erstrebte Maßnahme muss bei einer summarischen Prüfung nach dem materiellen Recht gerechtfertigt sein (Anordnungsanspruch). Die eintw Maßnahme setzt also stets eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage voraus; §§ 49 ff selbst geben eine solche nicht her (Musielak/Borth/Borth/Grandel Rz 9). Die summarische Prüfung stellt allerdings geringere Anforderungen an die beizubringenden Beweise (§§ 51 I 1, 31, § 294 ZPO) u bei Verfahren, die der Amtsermittlung unterliegen (§ 26), an die gerichtlichen Ermittlungen (BVerfG FamRZ 18, 1084; EuGHMR FamRZ 19, 954). Daneben bedarf es eines dringenden Regelungsbedürfnisses (Anordnungsgrund) für ein sofortiges gerichtliches Tätigwerden, das ein Zuwarten bis zu einer wirksamen u damit vollzieh- bzw vollstreckbaren (§§ 40, 116 III, 120 II 1) Entscheidung in der Hauptsache nicht erlaubt, weil diese zur Wahrung der schützenswerten Interessen zu spät käme (Nürnbg FamRZ 14, 52; Jena FamRZ 10, 1830; Stuttg FamRZ 10, 1678), u die Folgenabwägung muss ergeben, dass die Nachteile, die für die Rechte u Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die EA unterbleibt, die Hauptsache aber iSd jeweiligen Beteiligten entschieden würde, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch vorläufige Maßnahmen eintreten können, die aber aufzuheben u rückabzuwickeln sind, wenn sich die Hauptsache als erfolglos erweisen sollte (Brandbg FamRZ 19, 906). Der Entzug der elterlichen Sorge nach §§ 1666, 1666a BGB unterliegt im EA-Verfahren besonders hohen Anforderungen (BVerfG FamRZ 18, 1084; 17, 1577). Ein Anordnungsgrund kann im Einzelfall bei einem längeren Zuwarten des ASt zu verneinen sein (Köln FamRZ 11, 118). In Unterhaltssachen, einschl Verfahrenskostenvorschuss, bedarf es gem § 246 I keines Anordnungsgrundes. In Gewaltschutzsachen enthält § 214 I 2 eine Vermutungsregelung für ein Eilbedürfnis. Zum Institut der vorläufigen Anordnung s Rn 6. Ein anhängiges Hauptsachverfahren lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine EA ebenso wenig entfallen wie umgekehrt. Während der Erlass einer EA auf eine schnelle vorläufige Regelung aufgrund einer summarischen Prüfung abzielt, kann eine rechtskräftige Entscheidung über den Verfahrensgegenstand nur in einem Hauptsacheverfahren ergehen (Zö/Feskorn Rz 4). Spätestens m der Wirksamkeit bzw Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung tritt eine EA über den gleichen Verfahrensgegenstand außer Kraft (§ 56 I). Allerdings entfällt regelmäßig der Anordnungsgrund bei Entscheidungsreife der Hauptsache (Brandbg FamRZ 14, 784).
III. Rechtsfolgen.
1. Vorläufige Maßnahmen.
Rn 4
Nach II 1 sind nur Sicherungsmaßnahmen u vorläufige Regelungen zulässig. Die EA darf die Hauptsache nicht vorwegnehmen. Vorläufigkeit idS ist in Familiensachen aber häufig auch zeitlich zu verstehen. So enthalten im Wege einer EA ergangene gewaltschutzrechtliche Verbote, Umgangsausschlüsse oder Regelungen zum Aufenthalt des Kindes aus der Natur der Sache heraus eine für die Vergangenheit nicht mehr rückgängig machbare endgültige Regelung. Dennoch nehmen sie die Hauptsache nicht vorweg, weil sie zeitlich lediglich einstw bis zu einer mögliche...