Gesetzestext
Ein Kind, für das die elterliche Sorge besteht, oder ein unter Vormundschaft stehender Mündel kann in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters das Beschwerderecht ausüben. Das Gleiche gilt in sonstigen Angelegenheiten, in denen das Kind oder der Mündel vor einer Entscheidung des Gerichts gehört werden soll. Dies gilt nicht für Personen, die geschäftsunfähig sind oder bei Erlass der Entscheidung das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift räumt einem minderjährigen, das 14. Lebensjahr vollendet habenden Kind in bestimmten Fällen (s Rn 2) ein eigenes Beschwerderecht ein. Das Beschwerderecht eines dem Kind bestellten Verfahrensbeistands gem § 158 IV 5 (s § 59 Rn 1, 4) bleibt daneben unberührt. Gleiches gilt für die Vertretungsbefugnis des Sorgerechtsinhabers (s Rn 3), denn § 60 begründet lediglich ein zusätzliches eigenständiges Beschwerderecht des Mündels (BGH FamRZ 18, 601). Auch befreit § 60 nicht v den übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Beschwerde. Zur Entscheidungsbekanntgabe s § 164. Zur Verfahrensfähigkeit s.a. § 9 I Nr 3.
B. Norminhalt.
Rn 2
Das Kind muss bei Erlass (§§ 38 III 3, 60 S 3; München FamRZ 19, 1706) der anzufechtenden Entscheidung, nicht erst bei Beschwerdeeinlegung, 14 Jahre alt gewesen u darf nicht geschäftsunfähig sein. Es muss sich entweder um ein die Person des Kindes betreffenden Verfahrens handeln (§ 60 S 1) oder um ein solches, bei dem das Kind v Gericht angehört werden soll (§ 60 S 2). Das können Verfahren um die Personensorge oder Teile hiervon sein (s § 59 Rn 11). Jedoch ist § 60 S 1 weiter als § 162 I zu verstehen, sodass auch nichtsorgerechtliche Verfahren hierunterfallen, die seine Lebensführung u Lebensstellung unmittelbar berühren. In Betracht kommen Umgangs- u Abstammungsverfahren oder Adoptionen. Demggü genügt eine lediglich mittelbare Betroffenheit des Kindes, wie zB in einem Ehewohnungsverfahren seiner Eltern, nicht (Keidel/Meyer-Holz Rz 6). IE s die Zusammenstellung bei Keidel/Meyer-Holz Rz 10. § 60 S 2 hat hingegen nur eine geringe Bedeutung, da die Verfahren, in denen das Kind gehört werden soll, regelmäßig Verfahren über seine Person darstellen. Somit verbleiben für § 60 S 2 im Ergebnis nur Verfahren, die die Vermögenssorge betreffen (§ 159 I). Rechtsfolge des besonderen Beschwerderechts des Kindes ist, dass dieses als verfahrensfähig gilt u selbst alle Verfahrenshandlungen der Beschwerde unabhängig v Willen seiner gesetzlichen Vertreter vornehmen kann. Dies umfasst auch die Befugnis, einen Bevollmächtigten (§ 10) zu bestellen. Eines Verfahrensbeistands bedarf es dann ggf gem § 158 V nicht, wenn die Interessen des Kindes v seinem Verfahrensbevollmächtigten angemessen wahrgenommen werden (Karlsr FamRZ 16, 567; Dresden FamRZ 14, 1042 [bereits bestellter Verfahrensbeistand]). Umstr ist das Verhältnis zu § 9 I Nr 3. Letzterer knüpft seinem Wortlaut nach die Verfahrensfähigkeit an die zusätzliche Voraussetzung, dass das mindestens 14-jährige Kind in dem Verfahren ein ihm nach Bürgerlichem Recht zustehendes Recht geltend macht. Gemeint ist dabei ein dem Minderjährigen zustehendes konkretes subjektives Recht nach Bürgerlichem Recht; das ist zB in einem Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB nicht der Fall (München FamRZ 19, 1706; Kobl FamRZ 19, 706), sodass dort Verfahrensfähigkeit lediglich gem § 60 im Rechtsmittelverfahren besteht (aA Schlesw FamRZ 19, 1700, das – auch im Hinblick auf § 60 S 1, 2 – für eine weite Auslegung v § 9 I Nr 3 plädiert).
C. Gesetzliche Vertretung.
Rn 3
Diese bleibt unabhängig v § 60 zulässig, soweit zwischen gesetzlichem Vertreter u Minderjährigem kein Interessenkonflikt besteht. Anderenfalls bedarf es zur Vertretung eines Ergänzungspflegers, § 1909 BGB (BVerfG FamRZ 20, 1645).