Gesetzestext
(1) Die Wohnung des Verpflichteten darf ohne dessen Einwilligung nur auf Grund eines richterlichen Beschlusses durchsucht werden. Dies gilt nicht, wenn der Erlass des Beschlusses den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde.
(2) Auf die Vollstreckung eines Haftbefehls nach § 94 in Verbindung mit § 802g der Zivilprozessordnung ist Absatz 1 nicht anzuwenden.
(3) Willigt der Verpflichtete in die Durchsuchung ein oder ist ein Beschluss gegen ihn nach Absatz 1 Satz 1 ergangen oder nach Absatz 1 Satz 2 entbehrlich, haben Personen, die Mitgewahrsam an der Wohnung des Verpflichteten haben, die Durchsuchung zu dulden. Unbillige Härten gegenüber Mitgewahrsamsinhabern sind zu vermeiden.
(4) Der Beschluss nach Absatz 1 ist bei der Vollstreckung vorzulegen.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Wohnung unterliegt nach Art 13 GG besonderem Schutz und darf daher grds nur aufgrund einer richterlichen Anordnung durchsucht werden (Art 13 II GG). Soll für die Durchsetzung eines Umgangs- oder Herausgabetitels die Wohnung des Verpflichteten durchsucht werden, bedarf es daher grds einer gesonderten gerichtlichen Entscheidung (Abs 1 S 1), die auch bei der Durchführung der Vollstreckung vorzulegen ist (Abs 4). Dieser Gerichtsbeschluss ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Verpflichtete mit der Durchsuchung einverstanden ist (Abs 3 S 1), ein Haftbefehl gegen den Verpflichteten vollstreckt werden soll (Abs 2) oder wenn der Erlass des Beschlusses den Erfolg der Durchsuchung gefährdet (Abs 1 S 2). Haben weitere Personen Mitgewahrsam an der Wohnung, verpflichtet die gerichtliche Anordnung bzw ihre Entbehrlichkeit nach Abs 1 S 2 auch sie zur Duldung der Durchsuchung (Abs 3 S 1).
Rn 2
§ 91 entspricht weitgehend § 758a ZPO. Während § 91 nur für die Vollstreckung von Titeln zur Anwendung gelangt, die auf die Herausgabe einer Person oder die Durchsetzung einer Umgangsregelung gerichtet sind, ist § 758a ZPO über § 95 FamFG und § 120 FamFG für die Vollstreckung von praktisch allen weiteren Titeln nach dem FamFG anwendbar. Wegen der weitgehenden Identität beider Vorschriften ist § 91 FamFG auch eigentlich überflüssig.
B. Richterlicher Durchsuchungsbeschluss.
Rn 3
Durch § 91 I geschützt ist die ›Wohnung‹ des Verpflichteten. Dabei ist auch für das FamFG der weite verfassungsrechtliche Wohnungsbegriff maßgeblich (zu diesem Maunz/Dürig/Papier Art 13 GG Rz 10f). Zur ›Wohnung‹ iSd § 91 I zählen neben den privaten Wohnräumen daher auch Arbeits- und Geschäftsräume, Wohnwägen und Wohncontainer, Hof, Garage und Garten (BeckOKFamG/Sieghörtner Rz 1, enger MüKoFamFG/Zimmermann Rz 2). Eine ›Durchsuchung‹ liegt vor, wenn zur ziel- und zweckgerichteten Suche nach Sachen oder Personen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts die Wohnung betreten wird (BVerfG NJW 79, 1539 [BVerfG 03.04.1979 - 1 BvR 994/76]).
Rn 4
Zuständig für den richterlichen Durchsuchungsbeschluss ist das Gericht, das auch bereits den Herausgabetitel erlassen hat, soweit sich nicht ausnahmsweise aus § 88 I etwas anderes ergibt. Der Durchsuchungsbeschluss wird in Antragsverfahren auf Antrag hin, in amtswegigen Verfahren vAw erlassen. Er kann auch bereits ›vorsorglich‹ ergehen, wenn aufgrund des bisherigen Verhaltens des Verpflichteten absehbar ist, dass dieser eine Durchsuchung verweigern wird (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 4). Die zu durchsuchende Wohnung und die gesuchte Person müssen genau bezeichnet werden. Bei der Vollstreckung muss der Gerichtsvollzieher den Durchsuchungsbeschluss unaufgefordert dem Verpflichteten und den in Abs 3 erwähnten Dritten zeigen (§ 91 IV). Der Beschluss kann mit der sofortigen Beschwerde nach § 87 IV angegriffen werden. Fehlt ein Beschluss, muss der Verpflichtete Vollstreckungserinnerung erheben (§ 766 ZPO).
Rn 5
Ein nach § 91 I 1 grds erforderlicher Durchsuchungsbeschluss ist entbehrlich, wenn der Verpflichtete in die Durchsuchung einwilligt. Die Einwilligung kann auch konkludent erfolgen und jederzeit widerrufen werden. Sie ist gegenüber dem zuständigen Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher) zu erklären. Ist der Verpflichtete abwesend, genügt auch grds die Einwilligung von erwachsenen Familienangehörigen, die mit dem Verpflichteten zusammenwohnen (MüKoFamFG/Zimmermann Rz 3).
Rn 6
Ein Durchsuchungsbeschluss ist nach § 91 I 2 auch dann nicht erforderlich, wenn der Erlass des Beschlusses den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde. Hintergrund ist die Ausnahme vom Richtervorbehalt in Art 13 II GG bei Gefahr in Verzug. Ist besondere Eile geboten, bspw, weil der Verpflichtete im Begriff ist, sich mit dem Kind in das Ausland abzusetzen, liegt Gefahr in Verzug vor und Maßnahmen, die erst nach Erlangung eines vorherigen richterlichen Beschlusses erfolgen könnten, kämen möglicherweise zu spät. In einem solchen Fall ist der Durchsuchungsbeschluss daher entbehrlich.
Rn 7
Schließlich ist ein Durchsuchungsbeschluss auch dann entbehrlich, wenn ein Haftbefehl gegen den Verpflichteten vollstreckt werden soll (§ 91 II). Der richterliche Durchsuchungsbeschluss ist im Haftbefehl stets mitenthalten. § 91 II erwähnt ausdrücklich nur den Haftbefehl zur Erzwing...