Gesetzestext
(1) Soweit in den vor stehenden Unterabschnitten nichts Abweichendes bestimmt ist, sind auf die Vollstreckung
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wegen einer Geldforderung, |
2. |
zur Herausgabe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache, |
3. |
zur Vornahme einer vertretbaren oder nicht vertretbaren Handlung, |
4. |
zur Erzwingung von Duldungen und Unterlassungen oder |
5. |
zur Abgabe einer Willenserklärung |
die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden.
(2) An die Stelle des Urteils tritt der Beschluss nach den Vorschriften dieses Gesetzes.
(3) Macht der aus einem Titel wegen einer Geldforderung Verpflichtete glaubhaft, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Gericht auf seinen Antrag die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Entscheidung auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann die Vollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden.
(4) Ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder Vorlage einer Sache oder zur Vornahme einer vertretbaren Handlung zu vollstrecken, so kann das Gericht durch Beschluss neben oder anstelle einer Maßnahme nach den §§ 883, 885 bis 887 der Zivilprozessordnung die in § 888 der Zivilprozessordnung vorgesehenen Maßnahmen anordnen, soweit ein Gesetz nicht etwas anderes bestimmt.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 95 I verweist umfassend auf die Vorschriften der ZPO. Wie Abs 2 klarstellt, werden abschließende Entscheidungen nach dem FamFG aber weiterhin als Beschluss und nicht als Urteil bezeichnet. Abs 3 sieht einen besonderen Vollstreckungsschutz vor, der eine vorläufige Vollstreckbarkeit einer Entscheidung ausschließt, wenn dem Verpflichteten ein nicht zu ersetzender Nachteil droht. Abs 4 enthält eine Sonderregelung, die auch bei einer Vollstreckung vertretbarer Handlungen und von Herausgabetiteln einen Einsatz der in § 888 ZPO erwähnten Vollstreckungsmittel ermöglicht.
Rn 2
Die Vorschrift greift nicht für Vollstreckungstitel, die auf Herausgabe einer Person oder die Regelung des Umgangs gerichtet sind, da insoweit die §§ 88 ff abschließende Spezialregelungen enthalten. Ebenfalls nicht erfasst sind Ehe- und Familienstreitsachen iSv § 113 I 1, für die in § 120 eine eigene Verweisung auf die ZPO existiert. Die Vollstreckung von verfahrensleitenden Maßnahmen richtet sich wiederum nach § 35 und ebenfalls nicht nach § 95.
B. Verweisung auf die ZPO (Abs 1).
Rn 3
Die Verweisung auf die ZPO bezieht sich auf die ersten drei Abschnitte des 8. Buches der ZPO (§§ 704–898 ZPO). Der einstweilige Rechtsschutz ist hingegen im FamFG eigenständig geregelt (§§ 49 ff) und auch die Vorschriften über die grenzüberschreitende Kontenpfändung (§§ 946 ff ZPO) sind auf FamFG-Verfahren nicht anwendbar, da diese nicht als Zivil- oder Handelssachen iSd § 946 I ZPO gelten.
Rn 4
§§ 86, 87 enthalten zudem vorrangige Sonderregelungen. So ergeben sich bspw die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) aus den §§ 86, 87 FamFG und nicht aus der ZPO.
Rn 5
In den Nr 1–5 werden mehrere Regelungen der ZPO ausdrücklich in Bezug genommen. Die Aufzählung dient der Veranschaulichung und ist nicht abschließend.
Rn 6
§ 95 I Nr 1 nimmt Bezug auf die Vollstreckung wegen einer Geldforderung (§§ 802a–882 ZPO). Beispiele für solche Forderungen sind etwa der Vergütungsanspruch des Vormunds (§ 168) oder Betreuers (§ 292) oder die bestätigte Dispache (§ 409). Auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse (§ 85 FamFG iVm § 104 ZPO) werden nach § 95 I Nr 1 vollstreckt, wenn die Kostengrundentscheidung in dessen Anwendungsbereich fällt.
Rn 7
§ 95 I Nr 2 betrifft die Vollstreckung eines Titels auf Herausgabe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache (§§ 883–886 ZPO). Die Vollstreckung erfolgt hier durch die Übergabe der Sache an den Berechtigten bzw durch die Besitzverschaffung mithilfe des Gerichtsvollziehers. Beispiele sind etwa die Herausgabe von Nachlassgegenständen aufgrund einer gerichtlich bestätigten Auseinandersetzungsvereinbarung, die Herausgabe eines Erbscheins nach dessen Einziehung (§ 2361 BGB) oder die Herausgabe von persönlichen Gegenständen oder die Räumung einer Wohnung im Rahmen einer Gewaltschutz- oder Ehewohnungssache. Wird die Herausgabe von persönlichen Sachen eines Kindes verlangt, das selbst aufgrund eines nach §§ 88 ff vollstreckbaren Titels herauszugeben ist, fällt die Vollstreckung dieses Herausgabeanspruchs bei gleichzeitiger Geltendmachung unter die Annexkompetenz des § 88 und nicht unter § 95 (Haußleiter/Gomille Rz 3).
Rn 8
Mit der Vollstreckung eines Titels, der auf die Vornahme einer vertretbaren (§ 887 ZPO) oder einer nicht vertretbaren Handlung (§ 888 ZPO) gerichtet ist, befasst sich § 95 I Nr 3. Vertretbar ist eine Handlung, wenn sie auch durch einen Dritten, unvertretbar, wenn sie nur durch den Verpflichteten selbst vorgenommen werden kann. Bei vertretbaren Handlungen wird der Berechtigte durch das Gericht ermächtigt, die Handlung auf Kosten des Verpflichteten selbst vorzunehmen. Bei unvertretbaren Handlungen können Zwangsgeld und Zwan...