Gesetzestext
(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:
1. |
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a) |
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen; |
b) |
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen; |
|
2. |
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte. |
(2) § 23b Abs. 1 und 2 gilt entsprechend.
(3) 1In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. 2Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. 3Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
A. Vorbemerkung.
Rn 1
§ 119 regelt umfassend aber nicht abschließend (vgl Rn 11) die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Zivilsachen. Mit Inkrafttreten des FGG-RG ist Abs 1 neu gefasst und durch eine Regelung ersetzt worden, die eine umfassende Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für Rechtsmittel in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit begründet, mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen. Die bisher bestehende Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für Berufungen gegen Entscheidungen des Amtsgerichts mit Auslandsbezug ist entfallen, weil sie sich nicht bewährt hat (BTDrs 16/6308, 320). Die Zuständigkeit für Musterfeststellungsverfahren in Abs 3 wurde durch das G zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage eingeführt und ist am 1.11.18 in Kraft getreten.
B. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Amtsgerichts.
Rn 2
Zuständiges Rechtsmittelgericht bei Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtsgerichts ist nach § 72 grds das LG. Abs 1 weist abw von diesem Grundsatz dem OLG zusätzliche Zuständigkeiten zu, die über die bisherige Zuständigkeit in Familiensachen hinausgehen.
I. Beschwerden gegen Entscheidungen des Familiengerichts (Abs 1 Nr 1a).
Rn 3
In familiengerichtlichen Verfahren nach dem FamFG entscheidet das Familiengericht nicht mehr durch Urteil, sondern durch Beschl (§ 38 FamFG). Gegen Entscheidungen der Familiengerichte ist deshalb nur noch das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft. Die Zuständigkeit der Familiengerichte und damit zugleich der Familiensenate beim OLG ist in § 23a I Nr 1 abschließend geregelt. Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des OLG ist allein der Umstand, ob das Amtsgericht als Familiengericht entschieden hat (formelle Anknüpfung), nicht, ob es sich bei dem der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit materiell um eine Familiensache handelt (stRspr, BGH FamRZ 88, 1035; BGH NJW-RR 95, 379). Hat umgekehrt die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts in einer Familiensache entschieden, ist nach § 72 I das LG für das Rechtsmittel zuständig (BGH NJW 91, 231). Entscheidend ist, welche Abteilung des Amtsgerichts tatsächlich tätig geworden ist (BGH FamRZ 92, 665; aA Celle FamRZ 13, 1512; OLG Nürnberg Beschl v 9.8.16 – 7 WF 991/16 – juris: jeweils Vergütung eines Sachverständigen nach JVEG). Zweck dieser formellen Anknüpfung ist es, für den Betroffenen mehr Rechtssicherheit für die Frage zu erreichen, bei welchem Gericht er Rechtsmittel einlegen muss. Nur wenn zB auf Grund unterschiedlicher Kennzeichnung des Gerichts und des Verfahrensgegenstandes Zweifel bestehen, ob das Familiengericht oder die allgemeine Zivilabteilung entschieden hat, können nach dem allgemeinen Prinzip der Meistbegünstigung Rechtsmittel entweder beim LG oder beim OLG eingelegt werden (BGH NJW-RR 95, 379 [BGH 02.11.1994 - XII ZB 121/94]). In diesen Fällen ist ausnahmsweise auf Antrag entsprechend § 281 ZPO aus prozessökonomischen Gründen eine Verweisung von Rechtsmittelgericht zu Rechtsmittelgericht zulässig (BGH aaO).
Rn 4
Die formelle Anknüpfung ist außerdem von Bedeutung für die Frage, welcher Senat des Oberlandesgerichts zuständig ist, wenn das Familiengericht zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen hat. Da § 119 II auf § 23b I, II verweist, wonach auch beim OLG Familiensenate einzurichten sind, lässt diese gesetzgeberische Bestimmung es mit dem Grundsatz der formellen Anknüpfung als unvereinbar erscheinen, für die Frage der Zuständigkeit innerhalb des OLG an die materielle Rechtslage anzuknüpfen. Danach ist der Familiensenat zuständig, wenn das Familiengericht fälschlicherweise seine Zuständigkeit angenommen hat. Eine Abgabe an den allgemeinen Zivilsenat scheidet aus. Der Familiensenat muss deshalb nach allgemeinem Prozessrecht in der Sache entscheiden (Kissel/Mayer Rz 10). Eine Zurückverweisung an die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts ist grds ausgeschlossen. Sie...