Gesetzestext
Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
A. Bedeutung der Vorschrift.
Rn 1
Der § 13 GVG hat nicht mehr die ursprüngliche Bedeutung der Eröffnung eines Zugangs zu ›ordentlichen‹ (unabhängigen) Gerichten. Er ist heute unter Geltung der Rechtsweggarantie (Art 19 IV GG) Teil eines Abgrenzungskatalogs für die Rechtswege zu verschiedenen gleichwertigen Gerichtsbarkeiten (Art 95 I GG). Seit der Neufassung auch des § 13 GVG durch das FGG-RG zum 1.9.09 (vgl oben zu § 12 GVG) werden Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausdrücklich neben bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom Begriff der Zivilsachen erfasst. In der Begründung zum Gesetzentwurf der BReg (BTDrs 16/6308 v 7.9.07) wird hervorgehoben, dass mit dieser begrifflichen Erweiterung keine Abkehr vom bisherigen Verständnis verbunden sei, wonach die in Baden-Württemberg unter Berücksichtigung des Art 138 GG Notaren im Landesdienst übertragenen Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht unter den Vorbehalt des Art 92 GG fallen. Die Zulässigkeit des vom Rechtsbehelfsführer gewählten Rechtswegs ist unverzichtbare Prozessvoraussetzung und durch das angegangene Gericht vAw, seit 1991 allerdings im Wesentlichen erstinstanzlich sowie allg unter Beachtung der sich aus §§ 17, 17a GVG ergebenden Bindungen, zu prüfen. Maßgeblich ist dabei der von ihm bestimmte Streitgegenstand (vgl dazu Rn 4). Eine Überprüfung kann von den Beteiligten nicht ›abbedungen‹ werden (VGH Mannheim NVwZ-RR 08, 581 [VGH Baden-Württemberg 19.11.2007 - 13 S 2355/07]; Kopp/Schenke § 40 Rz 2). Der Rechtsweg ist einer Prorogation nicht zugänglich; eine nicht bestehende Rechtswegzuständigkeit lässt sich daher weder durch Vereinbarung noch durch rügelose Verhandlung (Ddorf VRS 126, 72) begründen. Keine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit iS § 13 GVG liegt vor bei rein kirchenrechtlichen Angelegenheiten, die dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (Art 140 GG, 137 WRV) unterliegen und für die ein Rechtsweg zu staatlichen Gerichten nicht eröffnet ist (BVerwG NVwZ 03, 1383; BAG Beschl v 30.4.14 – 7 ABR 30/12 – juris: keine Anwendung kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts durch staatliche Gerichte; BAG ZMV 05, 152 [BAG 16.09.2004 - 2 AZR 447/03]; BVerfG NJW 99, 349 [BVerfG 18.09.1998 - 2 BvR 1476/94] und 350), sofern nicht ausnahmsweise eine besondere kirchenrechtliche Rechtswegzulassung aufgrund gesetzlicher Ermächtigung vorliegt (§§ 135 S 2 BRRG, 63 III 2 BeamtStG; BVerwGE 95, 379; KuR 09, 282; KirchE 47, 245). Unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rspr hält das BVerwG nunmehr Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis der Geistlichen und Kirchenbeamten nicht mehr für der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen, wenn und insoweit die Verletzung staatlichen Rechts, insbesondere der in Art 79 III GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, geltend gemacht wird (BVerwG NVwZ 14, 1101). Die Anrufung der staatlichen Gerichte erfordert allerdings die vorherige Ausschöpfung des innerkirchlichen Rechtswegs (BVerwG NVwZ 14, 1101 [BVerwG 27.02.2014 - BVerwG 2 C 19.12]). Aus dem Selbstbestimmungsrecht sowie der in Art 137 III 2 WRV hervorgehobenen Gewährleistung der Ämterautonomie ergibt sich das Recht zur Festlegung, welche Kirchenämter einzurichten, wie diese zu besetzen und welche Anforderungen an die Amtsinhaber zu stellen sind (BVerfG DVBl 09, 238). Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist eingeschränkt, wenn die Kirchen mittelbar auch staatliche Gewalt ausüben, indem sie ihnen vom Staat verliehene Befugnisse ausüben oder soweit ihre Maßnahmen den innerkirchlichen Bereich überschreiten und in den staatlichen Bereich hineinreichen (allg BVerfG NJW 65, 961 [BVerfG 17.02.1965 - 1 BvR 732/64], zum Rechtsweg zB Rn 9). Außerhalb des innerkirchlichen Bereichs kann das Handeln einer Religionsgemeinschaft als öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich einzuordnen sein. Ein Handeln in öffentlicher Rechtsform kommt in Betracht, soweit dies als Ausfluss des sakralen Auftrags der Religionsgemeinschaft herkömmlich anerkannt ist (BVerwG DVBl 84, 227, liturgisches Glockengeläut). Das Betreiben einer Facebook-Seite ist hingegen nicht Ausdruck des sakralen Auftrags einer Religionsgemeinschaft (OVG Münster Beschl v 19.11.18 – 13 E 756/18, juris).
B. Systematik der Rechtswegzuweisungen.
Rn 2
Die abstrakt eindeutige Zuweisung aller Rechtsstreitigkeiten zu einem der durch zT wesentlich unterschiedliche Verfahrensordnungen gekennzeichneten Rechtswege wird gesetzestechnisch dadurch erzielt, dass der Gesetzgeber neben notwendig lückenhafte enumerative Kataloge von Spezialzuständigkeiten für Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichte in den jeweiligen Prozessordnungen (§§ 2, 2a ArbGG; § 33 FGO; § 51 SGG) und...