Gesetzestext
Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse der mit den Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen zu betrauenden Beamten (Gerichtsvollzieher) werden bei dem Bundesgerichtshof durch den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, bei den Landesgerichten durch die Landesjustizverwaltung bestimmt.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Bestimmung ordnet an, dass Gerichtsvollzieher Beamte sein müssen und konkretisiert damit Art 33 IV GG, wonach die Ausübung hoheitlicher Gewalt idR Angehörigen des öffentlichen Dienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zu übertragen ist. Weiter werden unmittelbar die Justizverwaltungen – ohne Beteiligung des Landesgesetzgebers – zum Erlass weiterer Regelungen durch Verwaltungsvorschriften ermächtigt.
Rn 2
Nach Landesrecht sind Gerichtsvollzieher regelmäßig Beamte des mittleren Justizdienstes in einer Sonderlaufbahn (BVerwGE 65, 270), die nach einer zusätzlichen Ausbildung die Gerichtsvollzieherprüfung abgelegt haben. In Baden-Württemberg umfasst die Ausbildung seit 2016 ein dreijähriges Fachhochschulstudium mit dem Abschluss ›Bachelor of Laws‹.
Mit Gerichtsvollzieheraufgaben können Beamte bereits während der Ausbildung betraut werden, hinreichend fortgeschrittene Beamte auch mit der selbstständigen Erledigung als Dienstleistungsauftrag. Der Inhalt der Ausbildung ist landesrechtlich geregelt (vgl etwa Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Gerichtsvollzieher BaWü).
Rn 3
(nicht besetzt)
B. Aufgaben.
Rn 4
Der Aufgabenbereich umfasst alle Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen sind (§ 753 I ZPO), insb die Pfändung (§§ 803 ff ZPO), Wegnahme (§ 883 ZPO) und Räumung (§ 885 ZPO), die Abnahme einer Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung (§ 802e ZPO), ggf Verhaftung des Schuldners (§ 802g ZPO), sowie die Zustellung von Schriftstücken im Parteibetrieb (§ 192 ZPO). Über jede Vollstreckungshandlung ist ein Protokoll aufzunehmen, § 762 ZPO. Ergänzend bestehen landesrechtlich zugewiesene Aufgaben (vgl zB § 13 AGGVG BaWü). Aufgaben können dem Gerichtsvollzieher auf beamtenrechtlicher Grundlage übertragen werden (BVerwG NJW 83, 899 [BVerwG 29.04.1982 - BVerwG 2 C 26.80]).
Rn 5
Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse haben die Landesjustizverwaltungen inhaltsgleich in der Gerichtsvollzieherordnung (GVO) geregelt. Die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) ist eine von den Ländern ebenfalls bundesweit einheitlich erlassene Verwaltungsvorschrift, die dem Gerichtsvollzieher ›das Verständnis der gesetzlichen Vorschriften erleichtern‹ soll (§ 1 S 2 GVGA) und deren Beachtung zu seinen Amtspflichten gehört. Ferner bestehen landesspezifische Ergänzungsvorschriften zur GVGA.
C. Aufsicht.
Rn 6
Der GV steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und unterliegt als Organ der Gerichtsverfassung der Neutralitätspflicht (Kissel/Mayer § 154 Rz 3). Der Gläubiger und ›Auftraggeber‹ iSd § 753 ZPO stellt der Sache nach einen Antrag auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung. Für die Durchführung der Amtshandlung kann er keine Weisungen erteilen. Der GV ist aber bei der Frage, ob dem Schuldner Ratenzahlungen gewährt werden können, an die Weisungen des Gläubigers insoweit gebunden, als dieser sein Einverständnis verweigern oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen kann (BGH NJW 06, 3640 [BGH 28.06.2006 - VII ZB 157/05]).
Rn 7
Als Beamter unterliegt der GV der Dienstaufsicht und ist verpflichtet, dienstlichen Anordnungen Folge zu leisten sowie die allgemeinen Richtlinien zu befolgen. Eine besondere gesetzliche Vorschrift, nach welcher der Beamte an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist, besteht für Gerichtsvollzieher nicht. Auch bei der Einziehung von Kosten ist die Dienstaufsicht uneingeschränkt (s aber Rn 9) und erstreckt sich auch darauf, ob eine unrichtige Sachbehandlung vorliegt (BVerwGE 65, 260 = NJW 83, 896).
Rn 8
Die Vorschriften der Gerichtsvollzieherordnung und der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher sehen allerdings eine gewisse Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit des Gerichtsvollziehers entsprechend der Art der ihm übertragenen Aufgaben vor, die im Interesse einer zweckmäßigen und effektiven Erledigung der Vollstreckungsaufträge eine gewisse Flexibilität erfordern (BVerwG NJW 83, 896). So regelt er seinen Geschäftsbetrieb nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen, soweit hierüber keine besonderen Bestimmungen bestehen (§ 45 I GVO), muss grds an seinem Amtssitz ein Geschäftszimmer auf eigene Kosten halten (§ 46 I 1 GVO; vgl auch § 49 III BBesG iVm §§ 1 ff AbgeltungsVO), ist verpflichtet, Büro- und Schreibhilfen auf eigene Kosten zu beschäftigen, soweit es der Geschäftsbetrieb erfordert (§ 49 GVO), kann grds Zeitpunkt und Reihenfolge der Erledigung der Vollstreckungsaufträge bestimmen (§ 6 GVGA) und führt den Schriftverkehr unter eigenem Namen mit Amtsbezeichnung (§ 53 Nr 1 GVO). Er handelt bei der ihm zugewiesenen Zwangsvollstreckung selbstständig; er unterliegt hierbei zwar der Aufsicht, aber nicht der unmittelbaren Leitung des Ger...