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Der inhaltlich auch das (speziellere) Verbot von Ausnahmegerichten (S 1) als besondere Ausprägung umfassende § 16 S 2 GVG (Art 101 I 2 GG) gebietet, dass die Personen der zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Richter aufgrund von allg gesetzlichen Regeln der Gerichtsverfassung, spezieller Prozessordnungen und von Geschäftsverteilungsplänen (allg dazu §§ 21a ff GVG; § 4 S 1 VwGO) im Voraus möglichst eindeutig feststehen. Die Vorschrift fordert indes nicht, dass die Anzahl der Richter stets unverändert bleibt (BVerfGE 19, 52 [BVerfG 18.05.1965 - 2 BvR 40/60] zu Überbesetzungen von Senaten des BFH). Welcher Richter des (zuständigen) Gerichts der ›gesetzliche Richter‹ ist, ist durch den Geschäftsverteilungsplan im Voraus abstrakt-generell, zugleich aber inhaltlich hinreichend bestimmt zu regeln, so dass Manipulationen und damit verbundene sachfremde Einflüsse auf die Rspr nach Möglichkeit ausgeschlossen werden (BGH NJW 09, 1351 [BGH 16.10.2008 - IX ZR 183/06]). Genügt der Geschäftsverteilungsplan diesen Anforderungen nicht, so ist das Gericht, das seine Zuständigkeit daraus ableitet, nicht ordnungsgem besetzt. Diese Maßstäbe gelten auch, wenn der Geschäftsverteilungsplan ein Rotations- bzw Turnusverfahren für die Zuweisung an die einzelnen Spruchkörper und zu dessen Umsetzung den Einsatz eines elektronischen automatisierten Verfahrens vorsieht. Solche Regelungen sind durch zusätzliche flankierende Vorkehrungen und allg-abstrakte Vorgaben für das Vorgehen bei der Registrierung der eingehenden Verfahren zu ergänzen, um Manipulationen möglichst auszuschließen (KG Beschl v 18.5.13 – [4] 161 Ss 14/13, System AuLAK, ›Blindlingsprinzip‹). Die Rechts- und Verfassungsmäßigkeit des Geschäftsverteilungsplans ist im Gegensatz zu seiner Auslegung und Würdigung durch das erkennende Gericht nicht nur auf Willkür, sondern auf jeden Rechtsverstoß hin zu untersuchen (BVerfG NJW 05, 2689 [BVerfG 16.02.2005 - 2 BvR 581/03]). Auslegungszweifel bei Geschäftsverteilungsplänen, bei deren Formulierung vielfach auf allg Begrifflichkeiten zurückgegriffen werden muss, müssen mit herkömmlichen juristischen Methoden ausräumbar sein (BVerfG NJW 95, 2703 [BVerfG 10.08.1995 - 1 BvR 1644/94]; Kissel/Mayer § 16 Rz 9). Bei nicht ausräumbaren internen Meinungsverschiedenheiten unter Spruchkörpern eines Gerichts über die Auslegung des Geschäftsverteilungsplans hat das erlassende Präsidium verbindlich zu entscheiden (BGH NJW 00, 80). Die prozessualen Regelungen über die Ausräumung negativer Kompetenzkonflikte verschiedener Gerichte desselben Rechtswegs durch das im gemeinsamen Instanzenzug nächsthöhere Gericht (§§ 36 I Nr 6 ZPO, 53 I Nr 5 VwGO, 58 I Nr 4 SGG) sind in diesen Fällen weder unmittelbar noch analog anwendbar (LSG NRW Beschl v 12.4.10 – L 17 SF 51/10 ZG). Das Bestimmungsrecht des Präsidiums findet seine Grenze bei vom Gesetzgeber vorgegebener Verteilung von Geschäften, bspw wenn die Zuständigkeit der Baulandkammern und Baulandsenate bei LG bzw OLG oder der Kammer für Handelssachen von der allg Spruchkörper dieser Gerichte abzugrenzen ist (zu letzterem KG NJW-RR 08, 1023), da es dabei nicht mehr um Auslegungsfragen geht. Für diese Fälle besteht nach Ansicht des BGH keine Entscheidungskompetenz des Präsidiums (BGH NJW 78, 1531 [BGH 03.05.1978 - IV ARZ 26/78], ausdrücklich abl LSG NRW Beschl v 12.4.10 – L 17 SF 51/10 ZG). Seit dem 1.9.09 enthält allerdings § 17a VI GVG eine abschließende Regelung für die Kompetenzkonflikte zwischen str u freiwilliger Gerichtsbarkeit bzw den Familiengerichten. Über die Frage der Anfechtbarkeit hinausgehende Folgeregelungen für die Verletzung des Gebots des gesetzlichen Richters aufgrund der Nichtbeachtung des Geschäftsverteilungsplans finden sich nur vereinzelt, etwa in § 22 GVG für den Bereich der AG.

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