Rn 13
§ 17 II 1 GVG räumt den Gerichten Rechtsweg überschreitende Entscheidungszuständigkeiten ein, wenn der Streitgegenstand unter unterschiedlichen Rechtswegen zuzuordnenden Gesichtspunkten zu beurteilen, der geltend gemachte Anspruch also aus verschiedenen Klagegründen herleitbar ist (Anspruchsnormenkonkurrenz, BVerwG NVwZ 18, 993 [BVerwG 02.11.2017 - BVerwG 7 C 25.15]). Ist der Klageanspruch bei identischem Streitgegenstand auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete (auch tatsächliche und rechtlich selbstständige) Anspruchsgrundlagen gestützt, ist das angerufene Gericht nach § 17 II 1 zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe verpflichtet, sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist (BSG, Beschl v 25.10.17 – B 7 SF 1/16 R, juris; BGHZ 225, 59). Der Rechtsstreit ist von dem angerufenen Gericht unter allen in Betracht kommenden Aspekten zu entscheiden, ggf also auch unter Anwendung gesetzlicher Regelungen, die von der allg oder einer speziellen Rechtswegzuweisung her in die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit fallen (BVerfG NVwZ 10, 1482 [BVerfG 29.07.2010 - 1 BvR 1634/04] ›Castor-Transport, ’Nacht im Gleisbett>‹). Fällt einer der Klagegründe in die Rechtswegzuständigkeit des befassten Gerichts, so ist dieses verpflichtet, den Rechtsstreit idS umfassend zu entscheiden (so zB OVG Münster Beschl v 2.5.12 – 12 B 438/12, Teilhabeansprüche Behinderter nach SGB). Es hat auch über rechtswegfremde Vorfragen zu entscheiden, soweit gesetzlich nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist und die an sich zuständigen Gerichte über die streitige Vorfrage nicht mit materieller Rechtskraftbindung entschieden haben (BVerwG NVwZ 15, 830 [BVerwG 10.12.2014 - BVerwG 1 C 11.14]). Leitet der Rechtsbehelfsführer aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt mehrere Ansprüche her, die teils dem einen, teils einem anderen Rechtsweg zuzuordnen sind, so bleibt es aufgrund der Konzentration bei der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts (BVerwG Beschl v 10.5.10 – 4 B 18.10, BRS 65 Nr 237). Konsequenz der Konzentrationswirkung des § 17 II 1 GVG ist ferner, dass eine Verweisung in eine andere Gerichtsbarkeit nur noch dann geboten und zulässig ist, wenn der Rechtsweg zu der befassten Gerichtsbarkeit schlechthin, dh für den Klageanspruch unter allen in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist (BVerwG NVwZ 93, 358; BSG, Beschl v 25.10.17 – B 7 SF 1/16 R, juris; OVG Münster, Beschl v 8.3.18 – 15 E 101/18, juris;VGH Kassel DÖV 12, 366, Rostock NVwZ-RR 06, 223; OVG Münster ZInsO 09, 2401). Auf welche rechtlichen Gesichtspunkte der Anspruch mit Erfolg gestützt werden kann, ist keine Frage des Streitgegenstands, sondern erst bei der Begründetheit des Rechtsbehelfs zu entscheiden. Die Konzentration nach § 17 II 1 GVG gilt wegen der bindenden Wirkung einer Verweisung (§ 17a I GVG) sogar für das unzuständige, insoweit aber für zuständig erklärte Gericht. Die Vorschrift erfasst allerdings nur – vom Rechtsweg her – gemischte Rechtsverhältnisse und gilt nicht für die Geltendmachung mehrerer selbstständiger Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung (BGH NJW 91, 1686; BGHZ 199, 159; LSG NRW Beschl v 20.12.13 – L 20 SO 163/13 B –; BAG Beschl v 4.12.13 – 7 ABR 7/12 –; OVG Bautzen, Beschl v 15.1.19 – 4 E 473/18, juris). Diese erfordert eine gesonderte Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs und ggf eine Prozesstrennung (§§ 145 ZPO; 93 VwGO). Auch Gründe des Sachzusammenhangs rechtfertigen in diesem Fall keinen ›einheitlichen‹ Rechtsweg (dazu Karlsr Beschl v 21.6.06 – 15 W 20/06). Ebenso wenig von der Vorschrift erfasst werden im Wege der subjektiven Klagehäufung verfolgte Ansprüche, sofern keine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt (VG Neustadt Urt v 5.3.15 – 4 K 894/14. NW – juris).