Gesetzestext
1Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (Bundesgesetzbl. 1964 II S. 957 ff) von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. 2Dies gilt auch, wenn ihr Entsendestaat nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist; in diesem Falle findet Artikel 2 des Gesetzes vom 6. August 1964 zu dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (Bundesgesetzbl. 1964 II S. 957) entsprechende Anwendung.
A. Grundlagen.
I. Einschränkungen deutscher Rechtsprechungshoheit.
Rn 1
Die deutsche Gerichtsbarkeit beschränkt sich grds auf deutsches Hoheitsgebiet. Ungeachtet der jeweiligen Staatsangehörigkeit unterliegen alle sich in der BRD aufhaltenden Personen zunächst uneingeschränkt der den deutschen Gerichten übertragenen Rechtsprechungshoheit. Die §§ 18 bis 20 GVG regeln sich insoweit aus dem Völkerrecht ergebende personelle und sachbezogene Ausn. Die Vorschriften begründen für die erfassten, insoweit Immunität (synonym Exemtion, Exterritorialität) genießenden Personen und Institutionen eine von den (deutschen) Gerichten festzustellende besondere Verfahrensvoraussetzung (vgl für das Strafverfahren § 206a StPO) für ihr Tätigwerden in jeglicher Form, auch bereits für eine Ladung (zur Unzulässigkeit einer Verweisung des Rechtsstreits § 17a Rn 7). Immunität iSd §§ 18–20 GVG stellt daher ggf ein Verfahrenshindernis (BGHZ 19, 341) dar, dessen Nichtvorliegen in jeder Phase des Verfahrens bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vAw vorab zu prüfen ist. Fragen der Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts einschl der Rechtswegzuständigkeit sind erst und nur dann in den Blick zu nehmen, wenn die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit nicht eingreift (Stuttg IPRspr 14, Nr 162, 391; VGH Kassel NJW 10, 2680). Daher ist auch eine Verweisung wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit (§ 17a II 1) unzulässig, wenn die vorrangige Prüfung ergibt, dass ein Beteiligter und daher der Rechtsstreit nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt. Das Prozesshindernis kann allerdings durch den Verlust der Immunität entfallen und damit der Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit geheilt werden (BAG NZA 13, 343 [BAG 22.08.2012 - 5 AZR 949/11]). Von der Rechtskraft (§ 322 I ZPO) eines in einem Vorprozess zwischen identischen Beteiligten ergangenen Sachurteils zu einem anderen (ähnl) Streitgegenstand wird eine darin vorgenommene Verneinung der Immunität als Vorfrage nicht erfasst (BAG NZA 05, 1117 [BAG 15.02.2005 - 9 AZR 116/04]). Den Exterritorialen ggü ist die Ausübung inländischer Gerichtsbarkeit daher generell unzulässig, und zwar auch iRe Vollstreckungsverfahrens. Genießt etwa der Bekl im Zivilprozess Immunität und verzichten er bzw der Entsendestaat nicht ausnahmsweise darauf (dazu iE Rn 10), so ist die Klage insgesamt, ggf im Berufungsverfahren, durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Dies gilt auch im Fall einer abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage (BAG Urt v 16.5.02 – 2 AZR 688/00 – juris). Entspr gilt für Eilrechtsschutzersuchen. Da die Frage, ob die deutsche Gerichtsbarkeit überhaupt ausgeübt werden darf, vorrangig ist vor anderen Prozessvoraussetzungen, ist bei Verneinung dieser Frage auch für eine Rechtswegverweisung nach § 17a GVG kein Raum (BAG NZA 05, 1117; Stuttg Justiz 13, 331). Auch die Anwendung der Regeln über die internationale Zuständigkeit der Gerichte (etwa §§ 27 II ZPO) setzt das Bestehen deutscher Gerichtsbarkeit logisch voraus. Die Verneinung der Immunität und damit die Bejahung der deutschen Gerichtsbarkeit in einem Urteil betrifft nach der Rspr des BAG lediglich eine Vorfrage für die Sachentscheidung und nimmt daher nicht an der Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung (§ 322 I ZPO) teil (BAG NZA 05, 1117 [BAG 15.02.2005 - 9 AZR 116/04]). Ob die Nichtbeachtung des Fehlens der deutschen Gerichtsbarkeit infolge Immunität generell die Nichtigkeit oder nur die Anfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung zur Folge hat, ist umstr (offengelassen in BGH NJW-RR 03, 1218 [BGH 28.05.2003 - IXa ZB 19/03]). Da es sich um eine Frage der Zulässigkeit des jeweiligen Rechtsbehelfs handelt, kann das Vorliegen des Verfahrenshindernisses zwar grds auch Gegenstand einer Zwischenentscheidung gem § 280 ZPO sein (BAG NZA 01, 683 [BAG 23.11.2000 - 2 AZR 490/99]). Ein die Immunität zu Unrecht verneinendes Zwischenurteil entfaltet aber auch im Falle seiner Unanfechtbarkeit keine Bindungswirkung (BGH MDR 09, 1239 [BGH 09.07.2009 - III ZR 46/08]). Gerichtliche Verfügungen und Ladungen bleiben insoweit zulässig, als sie der Klärung der im Einzelfall zweifelhaften Frage des Bestehens der deutschen Gerichtsbarkeit dienen, da grds jedes Gericht über das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Prozesshindernisses zu befinden hat. Auch diese ›Aufklärungsmaßnahmen‹ sind dann wiederum unzulässig, wenn die Immunität evident ist, also ohne vernünftigen Zweifel fes...