Rn 85
Die Rechtsnatur des präsidialen Geschäftsverteilungsplans ist umstr. Die Frage hat Bedeutung für den Rechtsweg und die Gestaltung der gerichtlichen Überprüfung seines Inhalts insb durch die betroffenen Richter.
Rn 86
Meinungsstand. § 21e ist nicht ausdrücklich zu entnehmen, welche Rechtsnatur der Beschl des Präsidiums über die Geschäftsverteilung haben muss.
Rn 87
Nach einhelliger Meinung ist er kein Akt der Rspr (BGHZ 112, 197, 201; VGH Baden-Württemberg DVBl 73, 891, 892; VGH Mannheim DRiZ 80, 147; BVerwGE 50, 11, 14; BayVerfGH NJW 78, 1515 und 86, 1673; Wittreck S 10; Marquardt S 38; Schilken Rz 371; Zö/Lückemann § 21e GVG Rz 34; Kissel/Mayer § 21e Rz 5; LR/Schäfer § 21e GVG Rz 6).
Rn 88
Nach überwiegender Meinung enthält der Geschäftsverteilungsplan im Anschluss an Bettermann (S 552) einen materiellen Rechtssatz, soweit er die Sachverteilung als eine Zuständigkeitsverteilung innerhalb des Gerichts vornimmt, für die sich aus Art 101 I 2 GG ein materieller Gesetzesvorbehalt iS einer autonomen Rechtsetzung durch das Präsidium ergeben soll. Die Richterverteilung soll als individuell konkrete Regelung dagegen nur eine Innenanordnung für die verteilten Richter ohne Rechtssatzcharakter darstellen. Er wird deshalb als ein Rechtsinstitut besonderer Art (Zö/Lückemann § 21e GVG Rz 34) oder als ein Akt gerichtlicher Selbstverwaltung sui generis (Kissel/Mayer § 21e Rz 105; Henkel S 97; Marquardt S 74f), ferner als multifunktionaler Justizhoheitsakt sui generis bezeichnet, der zur Sachverteilung wegen der Außenwirkung Rechtsnormqualität und hinsichtlich der Richterverteilung interner Organisationsakt sei (MüKoZPO/Zimmermann § 21e GVG Rz 7 u 8; Schorn/Stanicki S 204; Schilken Rz 371).
Rn 89
Die Rspr war dem zunächst gefolgt (BVerwGE 20, 39, 44; VGH Kassel DRiZ 69, 122; VG Freiburg DRiZ 73, 319, 320), ist davon aber alsbald abgerückt (BVerwGE 50, 11, 14 f; BayVerfGH NJW 78, 515, 516 f; NJW 86, 1673, 1674), während das BVerfG sich der Beantwortung dieser Frage nicht eindeutig gestellt hat (BVerfGE 2, 307, 320 [BVerfG 10.06.1953 - 1 BvF 1/53]; E 17, 294, 299; E 18, 344 ff; schließlich E 95, 322, 325f).
Rn 90
Diese überwiegende Meinung beruht auf der langjährigen Annahme, aus Art 101 I 2 GG folge ein Gesetzesvorbehalt für die Sachverteilung des Geschäftsverteilungsplans. § 21e und seine Vorgänger haben das Präsidium aber nicht zu einer materiellen Rechtsetzung – Rechtsverordnung, Satzung – ermächtigt. Diesen Widerspruch hat BVerfGE 95, 322 ff nicht aufgeklärt, indem es für die gerichtsinternen Verteilungspläne aus Art 101 I 2 GG nur die Forderung abgeleitet hat, sie müssten Regelungen sein, die wesentliche Merkmale aufweisen, die gesetzliche Vorschriften auszeichnen, also generell-abstrakt sein (BVerfGE 95, 322, 328f) und in beiden Stufen dem Manipulationsverbot und dem Bestimmtheitsgebot des Art 101 I 2 GG genügen (BVerfGE 95, 322, 329 [BVerfG 08.04.1997 - 1 PBvU 1/95]). Indessen enthält Art 101 I 2 GG nicht einen Gesetzesvorbehalt iSd Art 20 Abs 3 GG, sondern für die gerichtsinterne Geschäftsverteilung als superordinierte Norm ggü dem Gesetzesvorbehalt des Art 20 Abs 3 GG nur einen abstrakten und dadurch anderen Gesetzesvorbehalt, der sich nicht auf einen materiellen Rechtssatz, sondern lediglich auf eine generell-abstrakte Regelung bezieht, die nicht die Rechtsnatur eines Gesetzes iSd Art 20 Abs 3 GG hat (Remus S 298f). Damit entfällt die Notwendigkeit einer materiell-gesetzlichen Komponente des Geschäftsverteilungsplans, sodass die Geschäftsverteilung auch nicht materielle Gesetzgebung ist (Remus S 302). Sie ist vielmehr Gerichtsverwaltung, aber wegen der gerichtsverfassungsrechtlich zur Gewaltenteilung für die Geschäftsverteilungstätigkeit der Präsidiumsmitglieder und Spruchkörperrichter garantierten richterlichen Unabhängigkeit richterliche Selbstverwaltung durch das (nur) dazu parlamentsgesetzlich (§ 21e und § 21g) ermächtigte Präsidium bzw die Spruchkörper (Remus S 311 f; Meyer-Goßner § 21a GVG Rz 1).