Rn 100
Der vom Geschäftsverteilungsplan betroffene Richter kann gegen seine den Gesetzesvorrang verletzende Zuweisung durch den Präsidiumsbeschluss – etwa der Vorsitzende, dem entgegen § 21 f I der Vorsitz in einem Spruchkörper vorenthalten und der nur als Beisitzer mit Rechtsprechungsaufgaben versehen ist – oder wegen Willkür (BVerfG, 25.8.16, 2 BvR 877/16 mwN) oder Schikane im Wege der Feststellungsklage nach § 43 VwGO den Verwaltungsrechtsweg beschreiten (BVerwGE 50, 11, 14; E 67, 222; OVG Hamburg NJW 87, 1215; VGH München NJW 94, 2308; Kissel/Mayer § 21e Rz 121; ferner BGHZ 90, 41; zust auch BVerfG K DRiZ 91, 100). Dabei ist er vor dem VG gem § 67 II 2 Nr 2 VwGO selbst vertretungsbefugt, nicht aber vor dem OVG, wenn er nicht Organrechte als Präsidiumsmitglied (Behördenprivileg nach § 67 IV 4 VwGO), sondern nur eigene Rechte geltend macht (SächsOVG DRiZ 11, 292f). §§ 23 ff EGGVG gelten nicht, weil der Präsidiumsbeschluss keine Maßnahme der Justizverwaltung ist (BVerfGE 17, 252, 256 [BVerfG 25.02.1964 - 2 BvR 411/61]; Remus S 304).
Rn 101
Nach der Funktion der Geschäftsverteilung kommt eigentlich nur die Rüge des Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit nach § 26 DRiG iVm Art 97 I GG durch den Präsidiumsbeschluss in Betracht. Ob die richterliche Unabhängigkeit durch eine das vorrangige Gesetz verletzende oder eine sachfremde oder willkürliche Beschlussfassung des Präsidiums verletzt wird, ändert am verletzten Rechtsgut nichts. In Betracht dieses Schutzgutes besteht eine Sachnähe für die Zuständigkeit der Richterdienstgerichte, die aber wegen des Enumerationsprinzips des § 62 DRiG verschlossen sein soll, wenn die Verletzung individueller Rechte des Richters gerügt wird (BVerwG NJW-RR 10, 272 [BVerwG 17.09.2009 - BVerwG 2 B 69.09] Rz 3, 10; Kissel/Mayer § 21e Rz 122); hier besteht de lege ferenda ein dringender Änderungsbedarf.
Rn 102
Als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit – die als hergebrachter Grundsatz des richterlichen Amtsrechts auch zum Schutzbereich des Art 33 V GG gehört (BVerfG K NJW 08, 909, 910; BayVGH Beschl v 25.1.16 – 6 CE 15.2800 – Rz 27), – lässt sich jede Maßnahme des Präsidiums deuten, die materiell einer Entlassung, einer dauernden oder zeitweisen Amtsenthebung oder einer Versetzung in den Ruhestand gleichkommt, die also faktisch dieselbe Wirkung wie die förmlichen Maßnahmen des Art 97 II 1 GG entfaltet (BVerfGE 17, 252, 259 [BVerfG 25.02.1964 - 2 BvR 411/61]; BVerfG K NJW 08, 909, 910). Demgemäß ist das Präsidium nicht befugt, einen planmäßigen Richter des Gerichts von seiner originären Rechtsprechungsaufgabe fernzuhalten oder auszuschließen, weil es ihn für die Rechtsprechungsaufgabe untragbar, völlig ungeeignet oder unzumutbar einschätzt (BVerfG K NJW 08, 909, 910). Auch wenn ein Richter aus Art 101 I 2 keinen Anspruch darauf hat, bestimmte Rechtsangelegenheiten zu bearbeiten (BayVGH Beschl v 25.1.16 – 6 CE 15.2800 – Rz 25) oder einen nach der bisherigen Geschäftsverteilung bereits zu seiner Zuständigkeit gehörenden Rechtsstreit zu entscheiden (BVerfG, 25.8.16, 2 BvR 877/16 Rz 18), sodass er einer entsprechenden Zuständigkeitsänderung durch die richterliche Geschäftsverteilung nicht erfolgreich entgegentreten kann (BVerfGE 15, 298, 301 [BVerfG 06.03.1963 - 2 BvR 129/63]; BVerwG DRiZ 09, 299 [BVerwG 22.01.2009 - BVerwG 2 C 131.07] Rz 8), so darf das Präsidium auch nicht umgekehrt den Ausschluss eines Richters von der Rspr bewirken (BVerfG K NJW 08, 909, 910 [BVerfG 28.11.2007 - 2 BvR 1431/07]). Eine ›Umsetzung‹ von Richtern ist auch wegen ernsthafter Spannungen innerhalb eines Spruchkörpers zulässig, wenn die Arbeitsfähigkeit des Spruchkörpers gefährdet ist. Hierbei hat das Präsidium aber auch mit Rücksicht auf Art. 101 Abs 1 S 2 GG und Art. 97 GG grundsätzlich Zurückhaltung zu üben. Denn von Richtern kann in besonderem Maße erwartet werden, dass sie berufsimmanente Spannungen aushalten, die sich aus dem intensiven richterlichen Meinungsaustausch innerhalb des Spruchkörpers ergeben (BVerfG, 25.8.16, 2 BvR 877/16, Rz 20).