Rn 8
Die Vertretung im Vorsitz ist nur zulässig, wenn der Vorsitzende Richter an der Führung des Vorsitzes verhindert ist. Im Hinblick auf das Ziel, den Vorsitz in einem Spruchkörper einem besonders qualifizierten Richter vorzubehalten, ist Abs 2 Satz 1 eng auszulegen. Eine Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden ist daher nur in Fällen einer vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden zuzulassen, nicht bei dessen dauernder Verhinderung (BGH Beschl v 5.10.16 – XII ZR 50/14 – Rz 13 mwN; dazu § 21e Rn 50–53), für die Handlungsbedarf nach § 21e III 1 bestünde (s § 21e Rn 16 und 47 ff). Diese Änderungsentscheidung des Präsidiums gem § 21e III 1 geht der Regelung nach Abs 2 S 1 vor (BGH NJW 09, 931 Rz 14). Ob jede vorübergehende mit Beginn des folgenden Geschäftsjahres in eine dauerhafte Verhinderung umschlägt, wenn das Ende der Verhinderung nicht absehbar ist (BGH StV 12, 204 Rz 6, 12; StV 12, 272 Rz 9), ist str (Bernsmann StV 12, 274).
Die Verhinderung kann tatsächliche oder rechtliche Gründe haben (BGH Beschl v 21.10.94 – V ZR 151/93). Eine vorübergehende Verhinderung aus tatsächlichen Gründen besteht etwa bei Urlaub, Krankheit oder Dienstbefreiung. Sie kann aber auch dann vorliegen, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende durch eine anderweitige dienstliche Tätigkeit oder aus ähnlichen Gründen zeitweise an der Ausübung des Vorsitzes gehindert ist (BGH Urt v 5.10.16 – XII ZR 50/14 Rz 13 mwN), zB wenn das Zusammentreffen von Rechtsprechungsaufgaben mit anderen dem Vorsitzenden übertragenen Obliegenheiten zu dessen Geschäftsüberlastung führt (BGHSt 21, 174 mwN). Eine vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden kann auch dann vorliegen, wenn dieser aufgrund der Wahrnehmung anderer Aufgaben nicht in der Lage ist, eine Sitzung ordnungsgemäß vorzubereiten (BGHSt 15, 390).
Rn 9
Der Stellvertreter des Vorsitzenden muss nach Abs 2 S 1 ständiges Mitglied des Spruchkörpers sein. Er muss Richter auf Lebenszeit sein (§ 28 II 2 DRiG). Er kann aber abgeordneter Richter (§ 37 DRiG, Kissel/Mayer § 21 f Rz 12) oder zum Mitglied des Spruchkörpers gem § 78b II bestellter Richter eines AG sein. Der nach § 21e I 2 bestimmte Vertreter des Spruchkörpers ist nicht ständiges Spruchkörpermitglied, sodass im Falle der Verhinderung des benannten Vertreters des Vorsitzenden dessen Vertretung nach Abs 2 S 2 – der Anciennität – eintritt, worauf der spruchkörperfremde Vertreter keinen Einfluss hat.
Rn 10
Abs 2 S 2 ist nur eine Auslegungsregel und zwingt das Präsidium nicht (Zö/Lückemann § 21 f GVG Rz 6; aA Schorn/Stanicki S 80). Das Präsidium kann die Reihenfolge der Spruchkörperbesetzung also unabhängig von Abs 2 S 2 frei bestimmen, muss dabei aber die Reihenfolge der Vertretung festlegen (Hamm NStZ-RR 04, 146).
Ist der Spruchkörper nur mit einem Berufsrichter zu besetzen (KfH), so ist Abs 2 nicht einschlägig. Diese Vertretung muss das Präsidium nach § 21e I 1 geregelt haben.