Gesetzestext
(1) Das Präsidium ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner gewählten Mitglieder anwesend ist.
(2) 1Sofern eine Entscheidung des Präsidiums nicht rechtzeitig ergehen kann, werden die in § 21e bezeichneten Anordnungen von dem Präsidenten oder Aufsicht führenden Richter getroffen. 2Die Gründe für die getroffene Anordnung sind schriftlich niederzulegen. 3Die Anordnung ist dem Präsidium unverzüglich zur Genehmigung vorzulegen. 4Sie bleibt in Kraft, solange das Präsidium nicht anderweit beschließt.
A. Normzweck.
Rn 1
Bei Anwesenheit der Hälfte seiner gewählten Mitglieder (§ 21a II Nr 1–4) ist das Präsidium beschlussfähig, wenn der Vorsitzende oder sein Vertreter nach § 21c I 1 iVm § 21h anwesend ist. Denn der Präsident wird gem § 21h S 1 vertreten, nicht aber gem § 21c I III die gewählten Mitglieder des Präsidiums.
Rn 2
Abs 1 regelt die Beschlussfähigkeit in der Sitzung, auch in einer Telefonkonferenz (zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren vgl § 21e Rn 75 f). Auf das Gesamtpräsidium des § 21a II Nr 5 ist Abs 1 entsprechend anwendbar (Zö/Lückemann § 21i GVG Rz 2; Kissel/Mayer § 21i Rz 4).
Rn 3
Liegt Beschlussfähigkeit gem Abs 1 vor, ist der Mehrheitsbeschluss des Präsidiums nach § 21e zulässig und wirksam, ungeachtet der Meinung der Abwesenden.
B. Notkompetenz.
I. Voraussetzung.
Rn 4
Fehlt die Beschlussfähigkeit und besteht Gefahr im Verzuge, so ermächtigt Abs 2 S 1 den Präsidenten oder Aufsicht führenden Richter, die Geschäftsverteilung im Rahmen seiner Notzuständigkeit vorzunehmen und verpflichtet ihn, die Anordnung und deren Gründe schriftlich niederzulegen und dem Präsidium nach Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit vorzulegen. Die Notanordnung des Vorsitzenden bleibt gem Abs 2 S 4 in Kraft, bis das Präsidium einen vom Inhalt der Anordnung des Präsidenten abweichenden Beschl trifft.
Rn 5
Die Notzuständigkeit des Präsidenten tritt nach § 21e VII 2 ferner ein, wenn das nach Abs 1 beschlussfähige Präsidium (etwa bei Abwesenheit nur eines gewählten Mitglieds) durch Stimmengleichheit keinen Beschl zustande bringt, der ›rechtzeitig‹ ist.
Rn 6
Die Notzuständigkeit des Präsidenten greift auch in den Fällen des § 21e III 1, insb dann, wenn Handlungsbedarf in den Fällen der unbenannten Änderungsgründe entsteht (§ 21e Rn 56 f; Zö/Lückemann § 21i GVG Rz 4).
II. Inhaber.
Rn 7
Inhaber der Notkompetenz ist nach Abs 2 S 1 der Präsident des Gerichts oder sein Aufsicht führender Richter, also der Vorsitzende nach § 21a II. Im speziellen Falle des § 22a muss dies nach Sinn und Zweck der Regelung der dem Gesamtpräsidium vorsitzende Präsident sein (Kissel/Mayer § 21i Rz 8; MK/Zimmermann § 21i Rz 7; Zö/Lückemann § 21i GVG Rz 5; aA aufgrund des Wortlauts Remus bis Aufl 7. Zu den grds Bedenken von Remus gg die Position des Landgerichtspräsidenten als Vorsitzender des Gesamtpräsidiums vgl § 21a Rn 10).
III. Umfang.
Rn 8
Der Umfang der Notkompetenz erstreckt sich auf alle nach § 21e I oder III für die Geschäftsverteilung notwendigen Entscheidungen, soweit sie an sich dem Präsidium zugestanden hätten. Maßgeblich ist das Ermessen des Inhabers der Notkompetenz, nicht der mutmaßliche Wille der Mehrheit der abwesenden oder nach Abs 1 beschlussunfähigen gewählten Mitglieder. Hauptfälle sind Entscheidungen nach § 21e III, insb eine ad hoc notwendige Vertreterregelung nach § 21e I 1.
IV. Dauer.
Rn 9
In zeitlicher Hinsicht wirkt die Notentscheidung des Präsidenten unbegrenzt bis zu ihrer Abänderung durch das wieder beschlussfähig gewordene Präsidium gem Abs 2 S 4. Ihre Vorlage beim Präsidium hat gem Abs 2 S 3 unverzüglich zu geschehen, damit das Präsidium ihre Wirkung gem Abs 2 S 4 beenden kann. Ihre Wirksamkeit ist nicht durch eine Genehmigung oder Missbilligung des Präsidiums bedingt oder befristet, sondern endet nur durch eine regelungsersetzende Abänderung durch das beschlussfähige Präsidium (Zö/Lückemann § 21i GVG Rz 7). Abs 2 S 4 ist lex specialis zu § 21e III 1.