Gesetzestext
(1) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass für mehrere Amtsgerichte im Bezirk eines Landgerichts oder mehrerer Landgerichte im Bezirk eines Oberlandesgerichts ein gemeinsamer Bereitschaftsdienstplan aufgestellt wird oder ein Amtsgericht Geschäfte des Bereitschaftsdienstes ganz oder teilweise wahrnimmt, wenn dies zur Sicherstellung einer gleichmäßigeren Belastung der Richter mit Bereitschaftsdiensten angezeigt ist. 2Zu dem Bereitschaftsdienst sind die Richter der in Satz 1 bezeichneten Amtsgerichte heranzuziehen. 3In der Verordnung nach Satz 1 kann bestimmt werden, dass auch die Richter der Landgerichte heranzuziehen sind. 4Über die Verteilung der Geschäfte des Bereitschaftsdienstes beschließen nach Maßgabe des § 21e im Einvernehmen die Präsidien der Landgerichte sowie im Einvernehmen mit den Präsidien der betroffenen Amtsgerichte. 5Kommt eine Einigung nicht zu Stande, obliegt die Beschlussfassung dem Präsidium des Oberlandesgerichts, zu dessen Bezirk die Landgerichte gehören.
(2) Die Landesregierungen können die Ermächtigung nach Absatz 1 auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
A. Vorbemerkung.
Rn 1
Die 1994 eingefügte Vorschrift ist durch Gesetz vom 23.7.02 (BGBl I, 2850) mit Wirkung vom 1.8.02 neu gefasst worden. Die Erstreckung auf die Bezirke mehrerer Landgerichte ist seit 28.6.19 möglich. Die Notwendigkeit, den ursprünglich auf die dienstfreien Tage beschränkten Bereitschaftsdienst neu zu regeln, folgt der aus der Rechtsprechung des BVerfG (NJW 02, 3161 [BVerfG 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00]; 19, 1428 [BVerfG 12.03.2019 - 2 BvR 675/14]) abgeleiteten Forderung, mindestens zur Tageszeit, bei über den Ausnahmefall hinausgehendem Bedarf aber auch zur Nachtzeit (vgl § 104 III StPO), die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters zu ermöglichen. Auch ohne diesen über den Ausnahmefall hinausgehenden Bedarf ist die Sicherstellung eines Bereitschaftsdienstes auch in der Nacht sinnvoll. Zur bestehenden Erforderlichkeit, eine vorhandene Rufbereitschaft nach dem Ende der richterlichen Präsenzzeit auch in Anspruch zu nehmen: OVG Bremen Urt v 23.9.14 – 1 A 45/12. Abs 1 ermächtigt die Landesregierungen, den Bereitschaftsdienst im Bezirk eines LG oder für die Bezirke mehrerer LG im selben OLG-Bezirk entweder bei einem AG zu konzentrieren (sog Konzentrationslösung) oder einen gemeinsamen Bereitschaftsdienstplan für mehrere Amtsgerichte aufzustellen (sog Pool-Lösung). In beiden Konstellationen ist die Einbeziehung der am LG tätigen Richter möglich (Abs 1 S 3). Voraussetzung einer entsprechenden Verordnung ist immer, dass durch sie eine gleichmäßigere Belastung der Richter mit Bereitschaftsdiensten erreicht wird, zB, weil ansonsten Richter an einem AG deutlich häufiger zu Bereitschaftsdiensten herangezogen werden müssten als an einem anderen AG in der Nähe. Das bloße Ziel, dass an mehreren benachbarten Amtsgerichten nicht mehrere Richter parallel mit Bereitschaftsdiensten zur selben Zeit belastet sind, reicht nach Abs 1 S 1 nicht aus.
Rn 2
Der Bereitschaftsdienst ist beschränkt auf unaufschiebbare richterliche Geschäfte, etwa auf Arreste, einstweilige Verfügungen oder Unterbringungen. Ob eine Eilsache vorliegt, entscheidet der jeweilige Bereitschaftsrichter in richterlicher Unabhängigkeit im Einzelfall. Für Folgegeschäfte, die in derselben Sache anfallen und diese Voraussetzungen nicht erfüllen, ist er nicht mehr zuständig (Kissel/Mayer Rz 8). Selbst wenn von der Möglichkeit der Konzentration des Bereitschaftsdienstes Gebrauch gemacht worden ist, hat das auf die örtliche Zuständigkeit für das weitere Verfahren nach Abschluss des Bereitschaftsdienstes keinen Einfluss.
B. Heranziehung der Richter.
Rn 3
Grundsätzlich sind alle Richter (Abs 1 S 2) aller betroffenen Amtsgerichte (bei der Konzentrationslösung also auch der Amtsgerichte, die die Geschäfte des Bereitschaftsdienstes nicht wahrnehmen) heranzuziehen, bei entsprechender Regelung nach Abs 1 S 3 auch die Richter des LG unter Einschluss der Vorsitzenden Richter. Richter des LG werden formell und der Sache nach als Amtsrichter tätig, so dass § 22d anwendbar ist (ThoPu/Hüßstege Rz 3). Da im Fall des Bereitschaftsdienstes die Aufgabenzuweisung aufgrund rechtlicher Befugnis durch das Präsidium erfolgt, handelt es sich insoweit nicht um die Übertragung eines weiteren Richteramtes gem §§ 22 II, 59 II GVG, 27 II DRiG oder um eine Abordnung nach § 37 DRiG (str, wie hier Kissel/Mayer Rz 6 mN; aA Zö/Lückemann Rz 3).
C. Geschäftsverteilung.
Rn 4
Ist von der Ermächtigung nach Abs 1 S 1 Gebrauch gemacht worden, entscheidet über die Verteilung der Bereitschaftsdienste für einen LG-Bezirk das Präsidium des LG im Einvernehmen mit den Präsidien der betroffenen Amtsgerichte. Der sprachlich missglückte Abs 1 S 4 ist dahingehend zu deuten, dass auch bei einer Erstreckung auf mehrere LG-Bezirke Einvernehmen nicht nur zwischen den LG-Präsidien, sondern auch mit den Präsidien der betroffenen AG zu erzielen ist. Das gilt auch im Fall der sog. Konzentrationslösung, wenn ein AG den Bereitschaftsdienst ganz oder tw für den...