Gesetzestext
(1) Soweit die Vertretung eines Mitgliedes nicht durch ein Mitglied desselben Gerichts möglich ist, wird sie auf den Antrag des Präsidiums durch die Landesjustizverwaltung geordnet.
(2) Die Beiordnung eines Richters auf Probe oder eines Richters kraft Auftrags ist auf eine bestimmte Zeit auszusprechen und darf vor Ablauf dieser Zeit nicht widerrufen werden.
(3) Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach denen richterliche Geschäfte nur von auf Lebenszeit ernannten Richtern wahrgenommen werden können, sowie die, welche die Vertretung durch auf Lebenszeit ernannte Richter regeln.
A. Notvertretung.
Rn 1
Für den Sonderfall, dass vorübergehend (BGH NJW 95, 2337) die Vertretung innerhalb des Gerichts (vgl § 21e) nicht mehr von den Richterinnen und Richtern am Gericht wahrgenommen werden kann, eröffnet Abs 1 die Möglichkeit einer Notvertretung. Die personellen Ressourcen sind allerdings durch sinnvolle Planung, insb durch Abstimmung der Termine zwischen den Spruchkörpern auszuschöpfen. Die Feststellung, ob die Voraussetzungen einer Notvertretung vorliegen, obliegt zunächst dem Präsidium nach pflichtgemäßem Ermessen (RGSt 23, 119). Dieses, im Eilfall der Präsident (§ 21i II), kann bei der Landesjustizverwaltung beantragen, für diesen Fall die Vertretung anzuordnen. Die Verwaltung entscheidet nach freiem Ermessen (str, aA Stanicki DRiZ 76, 80).
Rn 2
Eine fehlerhafte Anordnung der Vertretung hat zur Folge, dass eine ordnungsgemäße Besetzung nicht vorliegt; die Bestimmung des Sonderrichters verstößt dann gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (BGH StV 87, 286). Verweigert die Landesjustizverwaltung hingegen die Ordnung der Vertretung, so ist es Sache der Geschäftsverteilung der betroffenen Spruchkörper und des einzelnen Richters, die Folgen der Überlastung zu regeln (Kissel/Mayer Rz 5). Nicht möglich ist es, eine generelle ›Notverteilung‹ anzuordnen.
B. Beiordnung.
Rn 3
Im Regelfall werden Gerichte mit bei dem Gericht ernannten Richtern besetzt (BVerfGE 14, 163; BGHZ 130, 304). § 59 III gestattet, im begründeten Ausnahmefall (BVerfG DtZ 96, 175) Richter auf Probe (§ 12 DRiG) und Richter kraft Auftrags (§ 14 DRiG) einzusetzen. Die Beiordnung ist gem Abs 2 an ein bestimmtes Ereignis, vornehmlich ein Datum zu knüpfen (Schmidt/Temming in Gehrke/Julius/Temming, 5. Aufl. 2012, § 70 Rz 2). Gleiches gilt gem § 37 II DRiG für die Abordnung eines Lebenszeitrichters. Hintergrund der Regel-Ausnahme-Beziehung ist, die Beteiligung von Richtern einzuschränken, deren persönliche Unabhängigkeit in geringerem Maße gesichert ist. Denselben Zweck verfolgt § 29 DRiG, der nicht die Besetzung, sondern die Beteiligung an der Entscheidung begrenzt, und zwar auf einen (am Gericht) nicht ernannten Richter. Eine etwas angestaubte Terminologie spricht von ›Hilfsrichtern‹.
Rn 4
Daher ist eine Legitimation der Beiordnung geboten. § 10 DRiG verlangt vor Ernennung eines Richters auf Lebenszeit die Sammlung von Erfahrungen im richterlichen Dienst, so dass hier ein sich selbst erläuternder Grund der Beiordnung gegeben ist. Ebenso wird die Erprobung in der zweiten Instanz als gerechtfertigt angesehen (BGH NJW 61, 830). Einen weiteren ›institutionalisierten‹ Grund bot der Aufbau der Gerichte in den beigetretenen Ländern, weshalb das RechtspflegeanpassungsG den freieren Umgang beim Einsatz nicht bei dem Gericht ernannter Richter vorsah. Dieser Anlass hat sich erledigt. Im Übrigen sind aber strenge Anforderungen zu stellen (BGHZ 22, 142). Denkbar ist die Vertretung eines zeitweise abgeordneten Richters, in Betracht kommen auch Urlaubs- oder Krankheitsvertretung. Ebenfalls kann die Belastung durch unvorhergesehene Großverfahren die Beiordnung begründen. Allokationsverzerrungen in der Belastung lassen in den letzten Jahren einen vermehrten Bedarf an gerichtszweigübergreifenden Abordnungen erkennen. Voraussetzung bleibt eine vorübergehende Natur des Bedarfs (BGHZ 20, 250; 34, 260), keinesfalls rechtfertigen Stellensperren oder haushaltsrechtliche Erwägungen zusätzliche oder längere Beiordnungen (BGHZ 95, 22).
Rn 5
Zweckdienlich erscheint, den Grund der Beiordnung kenntlich zu machen (BGHZ 34, 260). Unklarheiten können dazu führen, dass im Zweifel das Gericht aus Sicht der Revisionsinstanz als nicht ordnungsgemäß besetzt erscheint (BGH NJW 66, 352). – Weiter dient der Sicherung der Unabhängigkeit, dass die Beiordnung auf bestimmte Zeit auszusprechen ist. Diese Befristung muss nicht kalendermäßig bestimmt sein (Zö/Lückemann Rz 4), es genügt die Anbindung an eine Stellenbesetzung oder etwa die Beendigung eines Großverfahrens. Für diese Dauer ist die Beiordnung auch nicht widerruflich. Während die hM eine Aufhebung mit Zustimmung des Richters für zulässig erachtet (BeckOKGVG/Pernice Rz 9 mwN), verweist eine Mindermeinung darauf, § 70 stehe als Norm der Gerichtsverfassung nicht zur Disposition des Richters (Kissel/Mayer Rz 12). Jedenfalls können statusrechtliche Änderungen, etwa Ernennung auf Lebenszeit oder in einem Amt an einem anderen Gericht ebenso wie das Ausscheiden aus dem ...