Gesetzestext

 

(1) Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind.

(2) Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig

1. für die Ansprüche, die auf Grund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden;
2. für die Ansprüche gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen;
3. für Ansprüche, die auf eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation, auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt werden;
4.

für Verfahren nach

a) (weggefallen)
b) den §§ 98, 99, 132, 142, 145, 258, 260, 293c und 315 des Aktiengesetzes,
c) § 26 des SE-Ausführungsgesetzes,
d) § 10 des Umwandlungsgesetzes,
e) dem Spruchverfahrensgesetz,
f) den §§ 39a und 39b des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes;
5.

in Streitigkeiten

a) über das Anordnungsrecht des Bestellers gemäß § 650b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
b) über die Höhe des Vergütungsanspruchs infolge einer Anordnung des Bestellers (§ 650c des Bürgerlichen Gesetzbuchs);
6. für Ansprüche aus dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz.

(3) Der Landesgesetzgebung bleibt überlassen, Ansprüche gegen den Staat oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen Verfügungen der Verwaltungsbehörden sowie Ansprüche wegen öffentlicher Abgaben ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten ausschließlich zuzuweisen.

(4) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Entscheidungen in Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e und Nummer 5 einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zu übertragen. 2In Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e darf die Übertragung nur erfolgen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. 3Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

A. Überblick.

 

Rn 1

Die erstinstanzliche Zuständigkeit des LG in Zivilsachen wird durch das Ineinandergreifen einer Regelzuständigkeit mit ab- und zuweisenden Sonderzuständigkeiten bestimmt.

B. Grundregel.

 

Rn 2

Die Grundregel weist alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (§ 13) den Zivilkammern (§ 60) zu, soweit nicht das AG zuständig ist. Abs 1 leistet gemeinsam mit § 23 Nr 1 für den Regelfall eine auf den Streitwert bezogene Abgrenzung, sofern keine Spezialzu- oder -abweisung eingreift. Bis 5.000 EUR sind die Amtsgerichte zuständig, darüber, also ab 5.000,01 EUR, die Landgerichte. Maßgeblich für die Streitwertbemessung sind die Regeln der ZPO (§ 2 ZPO; Schlesw ZUM-RD 15, 473). Haben Berechnungsfehler einer Verweisung zugrunde gelegen, kann diese gleichwohl bindend sein (Hamm MDR 14, 1347 [OLG Hamm 11.06.2014 - 32 SA 40/14]).

C. Sonderzuständigkeiten.

 

Rn 3

Die Streitwertregel wird durch eine Reihe von Ausnahmen durchbrochen. Zunächst ist in den Fällen der § 23 Nr 2 lit a–g, §§ 23a, 27 die ausschließliche Zuständigkeit des AG begründet. Umgekehrt weisen Abs 2 sowie andere bundes- und landesrechtliche Normen dem LG Streitigkeiten in ausschließlicher Zuständigkeit (Rn 6) zu. Für den Fall einer subjektiven Klagehäufung, wenn etwa ein Mieter wegen eines Glatteisunfalls sowohl vom Vermieter als auch vom Streudienst-Unternehmen Ersatz fordert, kann das zuständige Gericht – idR das OLG – die Kollision von § 23 Nr 2 lit a und § 71 über § 36 ZPO nach Sachnähe und Prozesswirtschaftlichkeit beheben (vgl Brandbg WuM 15, 367; dazu Ritter IMR 15, 288; ähnlich: Räumungsklage vs. Bereicherung: München BauR 15, 313).

 

Rn 4

Die Relevanz der einzelnen Zuweisungen ist unterschiedlich zu bewerten. Abs 2 Nr 1 ist heute gegenstandslos, weil insoweit die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Abs 2 Nr 2 weist Klagen der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu, die Ansprüche betreffen, welche aus Amtspflichtverletzungen von Richtern und Beamten hergeleitet werden. Art 34 S 3 GG schließt Forderungen gegen den Dienstherrn ebenso mit ein, wie Regressansprüche des Dienstherrn weitgehend demselben Rechtsweg (vgl Kissel/Mayer Rz 12) zugewiesen sind. Betroffen sind nur Ansprüche aus hoheitlichem Handeln des Amtsträgers iRe öffentlich-rechtlichen Pflicht (vgl etwa PWW/Kramarz § 839 Rz 19; Regress ggü Richtern: Scheffer NVwZ 10, 425). Erfasst sind auch Ansprüche aus angeblich fehlerhafter Heilbehandlung eines Strafgefangenen (Kobl MDR 17, 360 [BGH 28.06.2016 - VI ZR 559/14]). Die Verantwortung aus Gefährdungshaftung, etwa § 7 StVG, aber auch schuldhafte Verletzungen privatrechtlich begründeter Verkehrssicherungspflichten (Naumbg 20.4.10 – 1 AR 8/10) werden bereits durch §§ 13, 71 I erfasst. Dagegen erstreckt sich die Zuweisung auf selbständige Prozesskostenhilfeverfahren (AG Oldenburg Hst 20.1.09 – 22 C 958/08; VG Augsburg 14.9.09 –...

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