Gesetzestext
(1) Nimmt der Musterkläger im Laufe des Musterverfahrens seine Klage im Ausgangsverfahren zurück oder wurde über das Vermögen des Musterklägers ein Insolvenzverfahren eröffnet, so bestimmt das Oberlandesgericht nach Maßgabe des § 9 Absatz 2 einen neuen Musterkläger.
(2) Das Gleiche gilt, wenn der Prozessbevollmächtigte des Musterklägers die Aussetzung des Musterverfahrens aus einem der folgenden Gründe beantragt:
1. |
der Musterkläger ist gestorben, |
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der Musterkläger ist nicht mehr prozessfähig, |
3. |
der gesetzliche Vertreter des Musterklägers ist weggefallen, |
4. |
eine Nachlassverwaltung ist angeordnet oder |
5. |
die Nacherbfolge ist eingetreten. |
(3) Die Klagerücknahme eines Beigeladenen hat auf den Fortgang des Musterverfahrens keinen Einfluss.
(4) Die Rücknahme eines Musterverfahrensantrags hat auf die Stellung als Musterkläger oder den Fortgang des Verfahrens keinen Einfluss.
(5) Ein Musterentscheid ergeht nicht, wenn der Musterkläger, die Musterbeklagten und die Beigeladenen übereinstimmend erklären, dass sie das Musterverfahren beenden wollen. Das Oberlandesgericht stellt die Beendigung des Musterverfahrens durch Beschluss fest. Der Beschluss ist unanfechtbar und wird öffentlich bekannt gemacht. § 11 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
A. Zweck.
Rn 1
Die Vorschrift regelt einerseits die Fortsetzung des Musterverfahrens in besonderen Fällen (Abs 1–4) sowie in Abs 5 die Möglichkeit der einvernehmlichen Beendigung des Musterverfahrens.
B. Rücknahme der Klage im Ausgangsverfahren.
I. Musterkläger (Abs 1).
Rn 2
Nimmt der Musterkläger seine Klage im Ausgangsverfahren zurück, so scheidet er aus dem Musterverfahren aus (vgl aber KK-KapMuG/Vollkommer Rz 6: Ausscheiden erst mit Bestimmung eines neuen Musterklägers). Er bleibt aber an die Ergebnisse des Musterverfahrens gebunden, s § 22 I 3 KapMuG. Es ist dann ein neuer Musterkläger anhand der Kriterien des § 9 II KapMuG zu bestimmen. Der neue Musterkläger tritt in die Rolle seines Vorgängers ein, dh eine mündliche Verhandlung muss nicht wiederholt werden, wenn der neue Musterkläger bereits als Beigeladener die Möglichkeit hatte, an dem Termin teilzunehmen (KG 3.3.09 – 4 Sch 2/06 KapMuG). Die nachträgliche Unterschreitung des Quorums gem § 6 I KapMuG durch Klagerücknahmen ist unschädlich, das Musterverfahren läuft weiter (s Rn 3). Erst wenn kein Kläger mehr vorhanden ist wird auch das Musterverfahren funktionslos und endet (KK-KapMuG/Vollkommer Rz 10, vgl aber KG 19.2.09 – 24 Kap 15/07: Erledigung des Musterverfahrens, wenn nur noch fünf Beigeladene verblieben sind, von denen keiner die Rolle des Musterklägers übernehmen möchte).
II. Beigeladene (Abs 3).
Rn 3
Nimmt ein Beigeladener seine Klage im Ausgangsverfahren zurück, so scheidet er aus dem Musterverfahren aus, bleibt aber gem § 22 I 3 KapMuG an dessen Ergebnisse gebunden. Das Musterverfahren wird weitergeführt, auch wenn durch das Ausscheiden von Beigeladenen das Quorum in § 6 I KapMuG unterschritten wird (KK-KapMuG/Vollkommer Rz 18).
C. Rücknahme des Musterverfahrensantrags (Abs 4).
Rn 4
Ein Musterverfahrensantrag kann nur bis zum Erlass des Vorlagebeschlusses zurückgenommen werden; dies ergibt sich aus der in § 6 I KapMuG angeordneten Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses. Spätere Rücknahmen des Musterverfahrensantrags sind gem § 13 IV KapMuG wirkungslos.
D. Sonstige Aussetzungs- und Unterbrechungsgründe.
Rn 5
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Musterklägers führt gem Abs 1 zum Auswechseln des Musterklägers. Wird über das Vermögen des Musterbeklagten das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird das Musterverfahren zunächst unterbrochen und ggf fortgeführt, wenn der Insolvenzverwalter die geltend gemachten Forderungen nicht zur Tabelle anerkennt (KK-KapMuG/Vollkommer Rz 26 ff). Außerdem führen die in Abs 2 genannten Gründe auf entsprechenden Antrag zur Bestimmung eines neuen Musterklägers. Auch der Tod des Musterklägers (Frankf 30.11.16 – 23 Kap 1/06) berührt das Verfahren daher nur, wenn ein Antrag nach Abs 2 gestellt wird.
E. Einvernehmliche Beendigung des Musterverfahrens (Abs 5).
Rn 6
In Abs 5 wird die Möglichkeit einer einvernehmlichen Beendigung des Musterverfahrens geregelt, die aber die Zustimmung sämtlicher Beteiligter, dh auch sämtlicher Beigeladener, voraussetzt. Die Bekanntmachung des Beschlusses über die Beendigung dient der Information etwaiger Anmelder (§ 10 II KapMuG), weil mit Beendigung des Musterverfahrens die Frist des § 204 I Nr 6a BGB in Lauf gesetzt wird.