Gesetzestext
1Die Geltendmachung eines Anspruchs nach den §§ 1 bis 2a ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Anspruchsgegner einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. 2Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn
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die Vereinbarung einer offensichtlich überhöhten Vertragsstrafe verlangt wird, |
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die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht, |
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mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden oder |
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wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden. |
3In diesen Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. 4Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.
A. Zweck und Kritik.
Rn 1
Mit § 2b wird eine fragwürdige Tradition aus dem Wettbewerbsrecht kodifiziert, die in der gewinnorientierten Bekämpfung von Rechtsverstößen einen ›Missbrauch‹ rechtlicher Befugnisse sieht (Abmahnung rechtswidrigen Verhaltens im finanziellen Interesse sei ›schmarotzerhaft‹, so Kisseler WRP 89, 623). Anders als in der sonstigen Marktwirtschaft ist hier die Verfolgung finanzieller Interessen verpönt, auch wenn sie gesellschaftlich nützlich ist, indem sie Rechtsverstöße abstellt. Dahinter steht ein Unbehagen an der Durchsetzung als zu strikt empfundener materiell-rechtlicher Regeln (zB übertriebene oder komplizierte Informationsvorschriften); dann wären aber diese Regeln zu kritisieren und nicht ihre Durchsetzung als ›missbräuchlich‹ zu brandmarken (Beater 799).
B. Tatbestand.
Rn 2
Mit der ›vorwiegenden‹ Verfolgung finanzieller Interessen sind theoretisch denkbare ›Abmahnvereine‹ angesprochen, die aber heute gar nicht mehr klagebefugt wären (vgl § 4 II UKlaG), so dass ein Fall des § 2b in der Realität kaum vorkommen kann. Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 2b liegt beim Beklagten (Palandt/Grüneberg Rz 1). Mit Gesetz v. 26.11.20 wurden die Regelbeispiele des S 2 Nr 1–4 eingeführt, die § 8c II Nr 4–7 UWG entsprechen. Ihre Erfüllung begründet keine Vermutung des Missbrauchs, sondern lediglich eine Indizwirkung, die der Kläger im Prozess nur erschüttern, nicht widerlegen muss (BTDrs 19/22238, 17). Im Grundsatz sollte man davon ausgehen, dass die Bekämpfung von Rechtsbrüchen sinnvoll und erwünscht ist, sodass ein angeblicher Missbrauch gem § 2b die Ausnahme sein wird. Werden Einnahmen aus Abmahnungen zur Finanzierung der satzungsmäßigen Aufgaben des Vereins verwendet, so liegt darin kein Missbrauch (BGH NJW 19, 3377 [BGH 04.07.2019 - I ZR 149/18]).