Prof. Hilmar Raeschke-Kessler
Rn 67
Verletzt das Schiedsgericht in erheblicher Weise im Schiedsverfahren die zentralen Verfahrensgrundrechte einer Partei, ist stets der verfahrensrechtliche ordre public verletzt. Hierzu gehören insb das Recht der Parteien auf ein faires Verfahren (BVerfG NJW 04, 2149, 2150 [BVerfG 15.04.2004 - 1 BvR 622/98] Nr 2), auf Gleichbehandlung und auf prozessuale Waffengleichheit. Das Schiedsgericht hat das Verfahren am Zweck der Wahrheitsfindung auszurichten und Interventionen der Parteien zu unterbinden, die die Zweckerreichung gefährden. Jedoch erreicht nicht jede Pflichtverletzung des Schiedsgerichts das für einen Verfassungsverstoß erforderliche Gewicht (BGH 23.7.20 – I ZB 88/19 juris, Rz 19–22).
Das Schiedsgericht hat im gleichen Umfang und unter den gleichen Voraussetzungen wie der staatliche Richter den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren (stRspr BGH 26.11.20 – I ZB 11/20, juris, Rz 23). Danach hat es den wesentlichen Kern des Vorbringens einer Partei, die eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft, in den Gründen zu bescheiden. Diese Pflicht ist verletzt, wenn die Begründung nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht. Setzt sich das Schiedsgericht mit Leerformeln über das zentrale Vorbringen der Partei hinweg, ist Art. 103 I GG verletzt, ebenso, wenn es seiner Entscheidung einen von der Partei nicht gehaltenen Vortrag zugrunde legt. Die Auflistung von Schriftsätzen und die Wiedergabe von Parteivortrag kann die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Kern des Vorbringens, dass eine zentrale Frage des Schiedsverfahrens betrifft, nicht ersetzen (BGH 18.7.19 – I ZB 90/18 juris, Rz 10, 24, 25). Zum zentralen Vorbringen gehört auch substanziierter Vortrag zum Mitverschulden oder Pflichtverletzungen einer Partei (BGH SchiedsVZ 18, 318 [BGH 07.06.2018 - I ZB 70/17] Rz 11). Art 103 I ist auch verletzt, wenn das OLG sich nicht mit der zeitlichen Begrenzung einer Ergänzungsvereinbarung und einer ausschließlich hierin enthaltenen Schiedsklausel auseinandersetzt (BGH 16.1.20 – I ZB 23/19 juris, Rz 13f). Jedoch genügt eine kurze Zusammenfassung der den Schiedsspruch tragenden Erwägungen. Das Schiedsgericht muss sich in der Begründung nicht mit jedem Punkt des Parteivorbringens befassen (BGH NJW-RR 16, 892 [BGH 10.03.2016 - I ZB 99/14] Rz 24). Die Begründung darf jedoch nicht offenbar widersinnig sein oder im Widerspruch zur Entscheidung stehen. Sie darf sich nicht auf inhaltsleere Wendungen beschränken und muss zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nehmen (BGH 26.11.20 – I ZB 11/20, juris, Rz 24). Es besteht keine Pflicht, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BGH 26.11.20 – I ZB 11/20, juris, Rz 38). Voraussetzung für eine Aufhebung des Schiedsspruchs wegen eines Verstoßes gegen ein Verfahrensgrundrecht ist stets, dass der Schiedsspruch auf dem Verstoß beruhen kann. Das gilt auch für sonstige Verfahrensfehler (BGH SchiedsVZ 09, 126 [BGH 15.01.2009 - III ZB 83/07] Rz 7). Ist ein Beruhen auszuschließen, scheidet eine Aufhebung aus (BGH SchiedsVZ 08, 40 [BGH 08.11.2007 - III ZB 95/06] Rz 22).
a) Ordnungsgemäße Vertretung.
Rn 68
Zum verfahrensrechtlichen op gehört das Gebot der ordnungsgemäßen Vertretung im Schiedsverfahren (BGH NJW 09, 1747, 1748 [BGH 29.01.2009 - III ZB 88/07] Rz 14).
Fällt zB der Schuldner während des Schiedsverfahrens in die Insolvenz, wird die streitige Forderung nach § 87 InsO zur Insolvenzforderung. Das Schiedsgericht hat deshalb den Insolvenzverwalter am Schiedsverfahren als Partei zu beteiligen. Der Gemeinschuldner ist nicht mehr prozessführungsbefugt (BGH NJW 09, 1747, 1748 Rz 14). Erscheint der Insolvenzverwalter nicht an Stelle des ursprünglichen Schiedsbeklagten im Rubrum des Schiedsspruchs, muss sich durch Auslegung der Begründung ergeben, dass der Schiedsspruch gegen den Insolvenzverwalter als Partei ergangen ist (BGH NJW 09, 1747, 1748 [BGH 29.01.2009 - III ZB 88/07] Rz 14).
b) Restitutionsgründe.
Rn 69
Zum verfahrensrechtlichen op gehört auch die Geltendmachung von Restitutionsgründen iSv §§ 580 ff, sofern das Schiedsurteil oder der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut auf dem geltend gemachten Restitutionsgrund, etwa einem Verfahrensbetrug, § 580 Nr 4, beruht (BGH 145, 376, 380f). Restitutionsgründe, für die die formellen Voraussetzungen von § 581 gelten, sind jedoch nur dann im Aufhebungsverfahren nach § 1059 II 2b zu berücksichtigen, wenn deswegen der Täter rechtskräftig verurteilt worden ist oder wenn festgestellt worden ist, dass ein Strafverfahren aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht eingeleitet oder durchgeführt werden konnte (BGHZ 145, 376, 381). Das gilt etwa für die Behauptung, der Schiedsspruch sei durch Verfahrensbetrug erlangt worden (BGH 6.10.16 – I ZB 13/15, juris Rz 58).
c) Richten in eigener Sache.
Rn 70
Das Verbot, in eigener Sache zu richten, ist unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit. Ein Verstoß des Schiedsgerichts gegen das Verbot, v...