Rn 35
Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfebedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Denn das Gebot weitgehender Angleichung der Lage von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes verlangt keinen sinnlosen Einsatz staatlicher Ressourcen; daher ist stets zu prüfen, ob eine bemittelte Partei bei Abwägung zwischen dem erzielbaren Vorteil und dem dafür einzugehenden Kostenrisiko ihre Rechte in der Art und Weise wahrnehmen würde, wie es der PKH-Antragsteller beabsichtigt (vgl BGH FamRZ 10, 1147; 10, 1423; BGH JurBüro 81, 1169). Das gilt sowohl für das Ob der Rechtsverfolgung, als auch für ihr Wie. Diese von der Rspr entwickelte Definition der Mutwilligkeit hat Eingang in die gesetzliche Definition in Abs 2 gefunden, ist aber noch erweitert worden. Mutwillen kann auch angenommen werden, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg hat, eine Abwägung aller Umstände jedoch eine bemittelte Partei dennoch von der Verfolgung ihrer Rechte abhalten würde. Das ist der Fall, wenn der erzielbare Erfolg weitaus geringer ist als die dafür aufgewendeten Kosten (BGH FamRZ 19, 1349).
Rn 36
Grds ist es dem Hilfebedürftigen zuzumuten, zunächst außergerichtliche kostenfreie Wege der Streitbeilegung zu nutzen. Außerdem hat er von mehreren verfügbaren Klagemöglichkeiten die kostengünstigste auszuwählen. Es darf dem Hilfebedürftigen aber nicht verwehrt werden, den sichersten Weg oder weitest gehenden Rechtsschutz zu wählen (Zö/Schultzky Rz 33). So darf etwa nach bereits rechtshängigem Scheidungsantrag der Ehemann der Mutter das Vaterschaftsanfechtungsverfahren anstelle des Verfahrens nach § 1599 II BGB wählen (Brandbg FamRZ 08, 68). Mutwillen kann auch dann gegeben sein, wenn die Partei bereits im außergerichtlichen Verfahren wie auch im PKH-Prüfungsverfahren ihr Verhalten nicht auf eine Vermeidung des Rechtsstreits richtet, indem sie nicht auf Schreiben des Gegners oder des Gerichts reagiert (Brandbg OLGR 08, 38; Celle FamRZ 12, 47). Liegt eine zulässige objektive Klaghäufung vor, wie bei einer Verbindung einer Auskunftsklage mit einer bezifferten Teilklage, so ist die Klaghäufung nicht mutwillig (Stuttg FamRZ 07, 1109). Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn der Beklagte vor der Erhebung einer Klage auf Zugewinnausgleich nicht zuvor außergerichtlich zur Auskunftserteilung oder Zahlung aufgefordert wurde (Naumbg FamRZ 07, 1814). Mutwilligkeit wird ebenfalls bejaht, wenn erstinstanzlich ein Antrag auf Protokollberichtigung gem § 164 verbunden mit einem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung versäumt wurde und im Rechtsmittelverfahren ein unrichtiger Protokollinhalt gerügt wird (Brandbg FamRZ 05, 1843). Dem Antragsteller obliegt es außerdem, am Verfahren mitzuwirken, damit nicht die Gefahr des Prozessverlustes wegen mangelnder Mitwirkung besteht. Das gilt auch für die Verpflichtung, die notwendigen Unterlagen zum Versorgungsausgleich im Scheidungsverfahren einzureichen (Brandbg OLGR 06, 305). Zum Mutwillen auf Beklagtenseite wegen Nichtabgabe einer Stellungnahme im PKH-Prüfungsverfahren s § 118 Rn 7. Der Versicherungsnehmer, der sich gegen den Vorwurf der Unfallmanipulation wehren will, handelt nicht mutwillig, wenn er sich von einem eigenen Rechtsanwalt vertreten lässt, auch wenn der Haftpflichtversicherer einen Anwalt beauftragt hat, der auch für ihn Klageabweisung beantragt hat (BGH NJW 10, 3522 [BGH 06.07.2010 - VI ZB 31/08]).
Rn 37
Eine Kündigungsschutzklage hat dann keine Aussicht auf Erfolg, wenn das Recht, die Unwirksamkeit der Kündigung zu verfolgen, wegen langen Zeitablaufs verwirkt ist (BAG NJW 1962, 2268). Bei Schmerzensgeldklagen soll PKH nur für einen angemessenen Betrag bewilligt werden (Ddorf JurBüro 88, 1057). Die Möglichkeit der Geltendmachung im strafrechtlichen Adhäsionsverfahren bedingt dagegen keine Mutwilligkeit der Geltendmachung im isolierten zivilrechtlichen Verfahren (LG Itzehoe SchlHA 01, 260). Mutwillig ist es, eine zweite Klage zu erheben, statt eine erste, noch anhängige Klage zu erweitern (LAG Düsseldorf JB 86, 287). Mutwillen kann nicht deshalb schon angenommen werden, weil der Bedürftige durch eine Straftat die Ursache für die Rechtsverfolgung gesetzt hat (BGH 16, 2188). Mutwillen kann auch dann vorliegen, wenn der zukünftige Antragsgegner eines zulässigen Mahnverfahrens bereits angekündigt hat, gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegen zu wollen (BGH MDR 17, 1259). Dabei sind aber die Umstände des Einzelfalles umfassend zu würdigen (BGH NJW 19, 3079 [BGH 21.08.2019 - VII ZB 48/16]).
1. Fehlende Vollstreckungsmöglichkeiten.
Rn 38
Die Frage, ob ein Schuldner Zahlungen leisten kann bzw die Vollstreckung gegen ihn erfolgreich sein wird, ist im Erkenntnisverfahren grds ohne Belang. Das mag es nicht ausschließen, in Einzelfällen fehlende Vollstreckungsmöglichkeiten zum Anlass zu nehmen, Mutwilligkeit zu bejahen, etwa bei Geltendmachung von Unterhaltsforderungen gegen einen Schuldner im Ausland (Kasachstan), wenn dort eine Realisierun...