Rn 10
Die örtliche Zuständigkeit als Prozessvoraussetzung muss spätestens zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (s § 56 Rn 2). Eine nach Rechtshängigkeit eingetretene Änderung des Gerichtsstandes ist nach § 261 III Nr 2 unschädlich (BGHZ 188, 373; s § 261 Rn 17; zur Möglichkeit abweichender nachträglicher Parteivereinbarung s § 38). Die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit erfolgt nach § 56 I in jeder Lage des Rechtsstreits vAw. Das Gericht ist weder an Beweisanträge der Parteien noch an die Beweismittel des Strengbeweises gebunden, sondern kann seine Überzeugung im Wege des Freibeweises gewinnen (s näher § 56 Rn 3). Auch ist neues tatsächliches Vorbringen grds zu berücksichtigen, da es sich bei der örtlichen Zuständigkeit um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt (vgl BGH MDR 14, 674 zur internationalen Zuständigkeit; s.a. Rn 10 aE). Die Amtsprüfung beinhaltet aber keine Amtsermittlungspflicht. Es bleibt vielmehr Aufgabe des Klägers/Ast, alle zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit erforderlichen Tatsachen darzulegen und ggf zu beweisen (MüKoZPO/Patzina Rz 55; Zö/Schultzky Rz 14). Ausnahmen gelten bei den §§ 306 und 330, wo der Bekl das Risiko der Beweislosigkeit trägt (Zö/Schultzky § 56 Rz 9; ThoPu/Seiler vor § 253 Rz 13), und im Fall der doppelrelevanten Tatsachen. Doppelrelevante Tatsachen sind Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich sind, wenn also die Bejahung des Anspruchs begrifflich diejenige der Zuständigkeit in sich schließt (BGHZ 7, 184, 186; 124, 237, 240; NJW-RR 08, 516, 517). In diesen Fällen genügt für die Bejahung der Zuständigkeit die schlüssige Behauptung der erforderlichen Tatsachen; die ggf durch Beweiserhebung zu treffende Feststellung der Tatsachen ist erst zur Begründetheit der Klage erforderlich (hM; BGHZ 7, 184, 186; 124, 237, 240 f; NJW-RR 08, 516, 517; MüKoZPO/Patzina Rz 56; Zö/Schultzky Rz 14; Musielak/Heinrich § 1 Rz 20). Diese Ausnahme ist gerechtfertigt, da bei einer umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung iRd Zulässigkeit eine unbegründete Klage als unzulässig abgewiesen werden müsste, so dass hinsichtlich der materiell-rechtlichen Entscheidung nie Rechtskraft eintreten und der Prozess immer wieder neu aufgerollt werden könnte (BGH NJW 1964, 497, 498; BGHZ 124, 237, 241; MüKoZPO/Patzina Rz 56). Im Einzelfall bedarf es der genauen Überprüfung, ob die fragliche Tatsache von doppelter Relevanz iSd oben Gesagten ist. So ist iRd § 32 zwar das Vorliegen einer unerlaubten Handlung von gleicher Relevanz für die Zuständigkeit und für die Begründetheit, nicht dagegen die Frage, wo die unerlaubte Handlung begangen wurde (St/J/Roth § 1 Rz 24; Zö/Schultzky § 32 Rz 22; s.a. § 32 Rn 15). Da das Gericht nur gehalten ist, seine Zuständigkeit vAw zu prüfen, nicht aber von sich aus aufzuklären, kommt es dem Bekl zu, das Gericht durch eine entsprechende Rüge zur Überprüfung seiner Zuständigkeit zu veranlassen (Zuständigkeitsrüge). Dafür muss die Absicht erkennbar sein, gerade der Zulässigkeit der Klage entgegen treten zu wollen (MüKoZPO/Patzina Rz 55). Dies kann auch konkludent erfolgen (vgl Prütting MDR 80, 369; Zö/Schultzky § 39 Rz 5; ThoPu/Hüßtege § 39 Rz 8; aA MüKoZPO/Patzina Rz 6 aE), so idR bei Klageabweisungantrag bei zuvor schriftsätzlich erhobener Zuständigkeitsrüge (BGH NJW 06, 1806 [BGH 02.03.2006 - IX ZR 15/05] zu Art 24 EuGVO aF; Hamm 29.5.17 – 32 Sa 26/17 Rz 21). Aus praktischen Gesichtspunkten ist eine ausdr Zuständigkeitsrüge aber dringend geboten, auf deren Protokollierung bestanden werden sollte (vgl Zö/Schultzky § 39 Rz 5). Die Protokollierung nach § 160 II ist aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung (Ddorf NJW 91, 1492, 1493 [OLG Düsseldorf 15.03.1990 - 6 U 215/89]; Zö/Schultzky § 39 Rz 5). Die bereits schriftsätzlich vorgetragene Zuständigkeitsrüge muss in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt werden, sofern auf sie stillschweigend Bezug genommen wird (BGH WM 15, 819 [BGH 17.03.2015 - VI ZR 11/14] mwN). Die Erhebung der Zuständigkeitsrüge ist bedingungsfeindlich; sie kann also nicht für den Fall erhoben werden, dass die Klage unbegründet ist. Denn der Prüfung der Zuständigkeit iRd Zulässigkeit kommt ggü der Begründetheitsprüfung absoluter Vorrang zu (vgl BGH NJW 00, 3718, 3720; MüKoZPO/Becker-Eberhard vor § 253 Rz 3; St/J/Roth vor § 12 Rz 13; Zö/Greger Vor § 253 Rz 10). Es kann aber die Zuständigkeitsrüge erhoben und vorsorglich zur Sache verhandelt werden (BGH NJW 70, 198, 199; 05, 1518, 1520 [OLG Celle 19.01.2005 - 15 UF 139/04]; 09, 148, 149 [BGH 16.10.2008 - III ZR 253/07] zu Art 24 EuGVO aF Schultzky § 39 Rz 5). Unterlässt der Bekl die Zuständigkeitsrüge, so kann sich die Zuständigkeit des Gerichts aufgrund rügeloser Einlassung nach § 39 ergeben; eine weitergehende Präklusion nach § 282 III iVm § 296 III findet nicht statt (Frankf OLGZ 83, 99, 101; Oldbg NJW-RR 99, 865, 866 [OLG Oldenburg 26.03.1998 - 8 U 215/97]; Saarbr NJW 05, 906, 907 [OLG Saarbrücken 06.01.2005 - 5 W 30...