Gesetzestext
Das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.
A. Normgegenstand.
Rn 1
§ 12 ist die zentrale Norm der ZPO für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts. Die Regelung enthält den Grundsatz, dass die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts durch den allg Gerichtsstand des Bekl bestimmt wird. Die so geschaffene Verknüpfung zwischen örtlicher Zuständigkeit und dem allg Gerichtsstand des jeweiligen Prozess- bzw Verfahrensgegners basiert nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern ist ebenso Ausdruck des allg Prinzips der Gerechtigkeit im Prozessrecht und durch das Prozessrecht (vgl BGH NJW 86, 3209; BGHZ 157, 20, 28; BayObLG MDR 96, 850; St/J/Roth vor § 12 Rz 3; Zö/Schultzky Rz 2; MüKoZPO/Patzina Rz 2). Denn § 12 dient der prozessualen Waffengleichheit, indem er die Freiheit des Kl beschränkt, der über Zeitpunkt, Ort und Umfang der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens entscheiden kann (vgl Zö/Schultzky Rz 2; MüKoZPO/Patzina Rz 2; Musielak/Heinrich Rz 1). Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle von Gerichtsstandsklauseln in AGB nach § 307 II Nr 1 BGB ist dem Rechnung zu tragen (s näher § 36). Durch den Wortlaut der Norm wird gleichzeitig das Konkurrenzverhältnis zwischen § 12 und anderen Gerichtsstandsregelungen deutlich. Danach besteht nur zwischen § 12 und den Regelungen über einen ausschl Gerichtsstand ein Verhältnis der Spezialität (s näher Rn 8). Wo der allg Gerichtsstand einer Person liegt, wird durch die §§ 13–19a ausgeführt. § 12 ist daher immer in Verbindung mit diesen Vorschriften zu lesen.
B. Begriff und Funktion des Gerichtsstands.
Rn 2
Der Gerichtsstand wird oftmals mit der örtlichen Zuständigkeit gleichgesetzt, also der Regelung der Frage, welches von mehreren Gerichten in örtlicher Hinsicht zur Entscheidung berufen ist (vgl etwa Zö/Schultzky § 1 Rz 7; ThoPu/Hüßtege Vorb § 12 Rz 1). Wenn sich diese Gleichsetzung auch in der Praxis durchgesetzt hat, steht sie doch im Widerspruch zu dem Wortlaut des Gesetzes, das in den §§ 12 ff erkennbar zwischen Tatbestand und Rechtsfolge trennt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes wird der Gerichtsstand in den §§ 12 ff zwar zum maßgeblichen Kriterium für die Beurteilung der Frage erhoben, ob ein bestimmtes Gericht örtlich zuständig ist. Der Gerichtsstand verliert dadurch aber nicht den Charakter einer Tatbestandsvoraussetzung bei der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit iRd Zulässigkeit. Dieser Aufbau des Gesetzes lässt sich exemplarisch an § 12 verdeutlichen, wo der Gerichtsstand des Bekl erst zusammen mit der Negativvoraussetzung des Fehlens eines ausschl Gerichtsstands zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts führt. Eine Gleichsetzung von Gerichtsstand und örtlicher Zuständigkeit sollte daher unter dem Gesichtspunkt einer sauberen Zulässigkeitsprüfung vermieden werden. Zur Abgrenzung von der örtlichen Zuständigkeit lässt sich von folgender Definition des Gerichtsstands ausgehen: Gerichtsstand ist die Verpflichtung bzw Berechtigung einer Person, ihr Recht vor einem bestimmten Gericht in Anspruch zu nehmen, ob als Kl oder Bekl (MüKoZPO/Patzina Rz 4; B/L/H/A/G/Bünnigmann Grdz § 12 Rz 4; vgl auch BGHZ 101, 271, 273). Hieran anknüpfend trifft die ZPO im 2. Titel eine nicht abschließende Zuständigkeitsregelung (vgl Rn 5 f), die sich ausschl auf die örtliche Zuständigkeit der Gerichte bezieht. Die Gerichtsstandsregelungen der §§ 12 ff übernehmen also die Funktion, Zivilverfahren dem jeweils sachlich zuständigen Gericht eines Gerichtsbezirks zuzuweisen (vgl BGHZ 44, 46, 47). Sie setzen damit die Einrichtung von Gerichten voraus, über die der Bund und die Länder organisationsrechtlich zu bestimmen haben (dazu näher Rn 18). An anderen Stellen der ZPO wird dagegen der Gerichtsstand in einem weiteren Sinne verstanden und erfasst dort neben der örtlichen auch die sachliche Zuständigkeit, wie etwa in § 40 II 1 und § 802 (allgM; MüKoZPO/Patzina Rz 4; St/J/Roth vor § 12 Rz 1; Zö/Schultzky Rz 1; Musielak/Heinrich Rz 2; ThoPu/Hüßtege Vorb § 12 Rz 1).
Rn 3
Zur Bedeutung der §§ 12 ff iRd internationalen Zuständigkeit s Rn 19; dort auch zur Verdrängung der §§ 12 ff durch die EuGVO/Brüssel Ia-VO bzw die EuEheVO/Brüssel II-VO.
C. Arten der Gerichtsstände.
I. Allgemeiner Gerichtsstand.
Rn 4
Der allg Gerichtsstand einer Person ist nach § 12 maßgeblich für alle gegen sie zu erhebenden Klagen, sofern kein ausschl Gerichtsstand gegeben ist (vgl Rn 1). Er wird durch die §§ 12–19a abschließend geregelt. Zu den Einzelheiten s §§ 13–19a. Zum allg Gerichtsstand bei negativen Feststellungsklagen s § 29 Rn 13 aE.
II. Ausschließliche Gerichtsstände.
Rn 5
Ausschließlich sind nur die Gerichtsstände, die als solche gekennzeichnet sind. Sie können gesetzlich bestimmt sein oder sich aus einer zulässigen Gerichtsstandsvereinbarung ergeben (s dazu § 38 Rn 2). Liegt ein ausschließl Gerichtsstand vor, so ist das Verfahren zwingend vor diesem Gericht zu führen (s dazu näher Rn 8). Bsp für gesetzlich geregelte ausschl Gerichtsstände (alphabetisch): AktG: §§ 246 III, 249 I, 275 IV, ...