Gesetzestext
(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.
(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.
(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.
(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.
A. Zweck.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Fälle, in denen die Beiordnung eines Rechtsanwalts erfolgen muss, sowie ihren Umfang. Grundgedanke der Prozesskostenhilfe ist es, dem Bedürftigen iRd verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung und sozialen Fürsorge weitgehend die gleichen Möglichkeiten zur Rechtswahrnehmung oder Rechtsverteidigung zu gewähren wie der bemittelten rechtsuchenden Partei. Dementsprechend ist bei der Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit das Prinzip der Rechtschutzgleichheit zu beachten (BVerfG FamRZ 02, 531).
B. Voraussetzungen der Beiordnung.
Rn 2
Der Prozesskostenhilfeanspruch der Partei beinhaltet, dass ihr in den notwendigen Fällen zur Wahrnehmung ihrer Rechte ein Rechtsanwalt beizuordnen ist. Die Beiordnung ist im Bewilligungsbeschluss gesondert auszusprechen. Ist eine Beiordnung nicht erfolgt, aber notwendig, kann die Beiordnung in einem besonderen Beschl erfolgen. Im Beiordnungsbeschluss wird der ausgewählte Rechtsanwalt namentlich genannt. Die Beiordnung des im Verfahren tätig gewesenen Rechtsanwalts kann auch noch nach Abschluss der Instanz erfolgen, wenn der Partei PKH ohne Beiordnung für das Verfahren bewilligt worden ist (Karlsr OLGR 08, 117).
I. Notwendige Beiordnung.
Rn 3
Gemäß § 121 I erfolgt eine Beiordnung in Anwaltsprozessen. Ist für das Verfahren gem § 78 die anwaltliche Vertretung vorgeschrieben, so wird der Partei zwingend zur Wahrnehmung ihrer Rechte ein Rechtsanwalt beigeordnet. Ein gesonderter Antrag ist nicht erforderlich. Das gilt dementsprechend für Verfahren vor dem LG, OLG, sowie tw in Familien- und Lebenspartnerschaftssachen. Vor dem BGH muss die Vertretung durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt erfolgen.
II. Erforderliche Beiordnung.
Rn 4
Gemäß § 121 II hat eine Anwaltsbeiordnung zu erfolgen, wenn diese erforderlich erscheint. Die Beiordnung erfolgt nur auf Antrag. Im Antrag ist der ausgewählte Anwalt namentlich zu benennen, wobei die Benennung nicht ausdrücklich erfolgen muss, sondern darin liegen kann, dass der ausgewählte Anwalt seine Beiordnung beantragt. Stellt der Anwalt den PKH-Antrag ohne ausdrücklichen Antrag auf Beiordnung, so ist der Beiordnungsantrag als stillschweigend gestellt anzusehen (Dresd FamRZ 01, 634). Bis zur Entscheidung über das Beiordnungsgesuch kann der Antragsteller jederzeit – auch konkludent – die Benennung des ihm nach seiner Wahl beizuordnenden Rechtsanwalts ändern (Saarbr MDR 13, 547 [OLG Saarbrücken 11.12.2012 - 6 WF 405/12]).
Objektive Merkmale der Erforderlichkeit sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits. Subjektiv kommt es auf die tatsächlichen Fähigkeiten des Antragstellers an, insb auch auf seine intellektuellen Fähigkeiten und seine Besonderheiten, wie zum Beispiel, wenn eine neurologisch-psychiatrische Beeinträchtigung vorliegt. Es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn pauschal darauf abgestellt wird, dass das zu Grunde liegende Verfahren dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegt. Denn die Aufklärungs- und Beratungsverpflichtung des Rechtsanwalts geht über die Amtsermittlungspflicht des Richters hinaus (BVerfG FamRZ 02, 531).
Rn 5
Die Bewertung der subjektiven und sachlichen Voraussetzungen der Erforderlichkeit hat nach einem objektiven Maßstab zu erfolgen, nicht aus der Sicht des Anwalts oder der Partei (OVG Bremen JurBüro 84, 133). Dabei ist allerdings kein zu strenger Maßstab anzulegen. Tatsächlich werden auch in Verfahren, die nicht dem Anwaltszwang unterliegen, die meisten Parteien eine Vertretung durch Anwälte wählen. Teilweise wird das Erforderlichkeitskriterium dadurch umgangen, dass auf die richterliche Hinweispflicht verwiesen wird (B/L/H/A/G/Hartmann Rz 32). Das entspricht allerdings nicht der Lebenswirklichkeit. Tatsächlich wird sich selbst die Partei, die nach ihren intellektuellen Fähigkeiten dazu in der Lage wäre, kaum so weit in die Besonderheiten des materiellen und des Verfahrensrechts einfinden können, um sich selbst adäquat zu vertreten. Unabhängig davon wäre mit der zwangsläufig erweiterten Fürsorge- und Hinweispflicht des Gerichts eine höhere Arbeitsbelastung für das Verfahren verbunden,...