Rn 5
Eine Beweisaufnahme durch Videokonferenz ist jedenfalls zulässig, wenn das Einverständnis beider Parteien vorliegt und das Gericht die Nutzung einer solchen Videokonferenz nach seinem Ermessen gestattet. In diesem Falle ergibt sich die Zulässigkeit bereits aus § 284 S 2. Nicht erforderlich ist das Einverständnis des angehörten Sachverständigen oder des vernommenen Zeugen, dessen Einverständnis allerdings idR vorliegen wird, da eine solche Form der Vernehmung in aller Regel in seinem Interesse stattfinden wird. Typischerweise wird eine solche Beweisaufnahme in Betracht kommen, wenn zugleich der Fall des § 377 III 1 vorliegt. Dementsprechend sieht § 375 I auch vor, dass bei Verhinderung des Zeugen oder bei großer Entfernung zunächst eine Zeugenvernehmung nach § 128a II in Erwägung zu ziehen ist, bevor eine Beweisaufnahme durch den beauftragten und ersuchten Richter stattfindet. Dies leuchtet ein, da § 128a im Gegensatz zu § 375 keine Durchbrechung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355) enthält.
Will das Gericht die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder einer Partei auf Antrag der einen Partei, aber gegen den Willen der Gegenseite durchführen, so ist dies ebenfalls zulässig. Auch hier ist das Einverständnis des Sachverständigen oder Zeugen nicht erforderlich. Im Falle einer Weigerung des Zeugen oder Sachverständigen wird man verlangen müssen, dass er der Ladung zum persönlichen Erscheinen folgt. Beruft sich der Sachverständige oder Zeuge auf einen Fall des § 375 I, wird das Gericht eine Videokonferenz gegen den Willen des Zeugen oder Sachverständigen durchsetzen können.
Die Norm ist nicht analog auf den Augenscheinsbeweis oder den Urkundenbeweis anwendbar (Musielak/Voit/Stadler Rz 5; aA Mantz/Spoenle MDR 20, 639 mwN für den Augenschein). Nach bisherigem Stand der Technik erscheint es fraglich, ob die Einnahme eines Augenscheins im Wege der Videoaufnahme die gleiche Qualität aufweist wie der persönliche Augenschein durch das Gericht. Der Urkundenbeweis erfolgt nur durch Vorlage (§ 420).
Bedenken gegen eine Beweisaufnahme im Wege der Videokonferenz werden (wohl zu Unrecht) geltend gemacht, wenn die Glaubwürdigkeit der Beweisperson von entscheidender Bedeutung ist. Allerdings darf bei dieser Diskussion nicht die (gewahrte) Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme mit der Frage verwechselt werden, ob ein Zeuge die Unwahrheit leichter in eine Kamera als direkt in das Gesicht des Richters formuliert. In jedem Falle hat der Gesetzgeber zu Recht deutlich gemacht, dass eine Zeugenvernehmung im Wege der Rechtshilfe (§ 375) noch weit weniger zum Eindruck der Glaubwürdigkeit einer Beweisperson beitragen kann als eine Videokonferenz (dazu Glunz Psychologische Effekte beim gerichtlichen Einsatz von Videotechnik, 12).