Gesetzestext

 

(1) Den Rechtsanwälten steht es frei, die Mitteilung von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung zu bewirken.

(2) Gibt ein Rechtsanwalt die ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der bestimmten Frist zurück, so ist er auf Antrag nach mündlicher Verhandlung zur unverzüglichen Rückgabe zu verurteilen.

(3) Gegen das Zwischenurteil findet sofortige Beschwerde statt.

A. Bedeutung.

 

Rn 1

Die Norm erleichtert die Einsicht in Urkunden. Sie ergänzt die Vorschrift des § 134. Sie ermöglicht es, bei anwaltlicher Vertretung beider Parteien, die Einsichtnahme der Urkunde bei der Geschäftsstelle durch Überlassung des Originals an den gegnerischen Anwalt zu ersetzen (Musielak/Stadler § 135 Rz 1).

B. Anwendungsbereich und Frist zur Rückgabe (Abs 1).

I. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

Die Norm findet unabhängig davon Anwendung, ob es sich um einen Anwalts- oder Parteiprozess handelt, entscheidend ist einzig die anwaltliche Vertretung der jeweiligen Partei. Die Norm ist in jeder Lage des Verfahrens anwendbar.

II. Rückgabefrist.

 

Rn 3

Die Übermittlung der Urkunde geschieht in beliebiger Weise gegen schriftliches Empfangsbekenntnis (§ 195). Entsprechend der Vorgabe des § 134 II 1 muss die Rückgabe grds innerhalb einer Frist von 3 Tagen erfolgen, es sei denn, mit dem übermittelnden Anwalt wurde nach dem Rechtsgedanken des § 134 II 2 eine längere (oder kürzere) Frist vereinbart.

C. Zwischenstreit über Rückgabe (Abs 2).

I. Säumige Rückgabe.

 

Rn 4

Wird vom Gegenanwalt die Rückgabefrist nicht eingehalten und daher die rechtzeitige Rückgabe versäumt, kann nach Abs 2 auf Antrag in einem Zwischenstreit zwischen der Person, die das Beweisführungsrecht an der Urkunde inne hat, und dem gegnerischen Rechtsanwalt über den prozessualen Rückgabeanspruch entschieden werden. Etwaige materiell-rechtliche Rückgabe- bzw Schadensersatzansprüche, auch gegen den eigenen Prozessbevollmächtigten, bleiben von der rein prozessualen Rückgabepflicht aus Abs 2 unberührt (MüKoZPO/Wagner § 135 Rz 4). Das Gericht muss die mündliche Verhandlung anberaumen, aufgrund derer der säumige Gegenanwalt durch Zwischenurteil zur Rückgabe der Urkunde und zur Erstattung etwaiger, durch den Zwischenstreit veranlasster Kosten verurteilt wird. Der Wortlaut des Abs 2 ist insoweit missverständlich, als die Verurteilung zur ›unverzüglichen‹ Rückgabe nicht iSd § 121 I 1 BGB zu verstehen ist, also nicht auf die Erfüllung der Rückgabepflicht ohne schuldhaftes Zögern abstellt, sondern vielmehr eine sofortige Rückgabe meint (MüKoZPO/Wagner § 135 Rz 3). Ein streitiges Zwischenurteil hat auch bei Säumnis des Gegenanwalts zu ergehen, der Erlass eines Versäumnisurteils ist unzulässig (Zö/Greger § 135 Rz 2).

II. Antrag und Parteien des Zwischenstreits.

 

Rn 5

Antragsteller ist die Partei des die Urkunde übergebenden Anwalts, Antragsgegner der Gegenanwalt persönlich, nicht die von ihm vertretene Partei.

D. Sofortige Beschwerde (Abs 3) und Vollstreckung.

 

Rn 6

Gegen das Zwischenurteil findet nach Abs 3 (mit § 567 I Nr 1) die sofortige Beschwerde statt. Sie hat allerdings keine aufschiebende Wirkung (§ 570). Das dem Antrag stattgebende Zwischenurteil ist nach § 794 I Nr 3 Vollstreckungstitel und sofort vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach der Vorschrift des § 883.

Dieser Inhalt ist unter anderem im HSO FV Sachsen online Kompaktversion enthalten. Sie wollen mehr?