Gesetzestext
Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden oder eine von dem Vorsitzenden oder einem Gerichtsmitglied gestellte Frage von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Norm will die Möglichkeit schaffen, einen Streit über die Unzulässigkeit einer gerichtlichen Anordnung oder von Fragen innerhalb der mündlichen Verhandlung sogleich zu thematisieren und durch den gesamten Spruchkörper zu entscheiden. Die Norm ist damit Teil der Konzentration des Verfahrens.
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Norm betrifft nur Anordnungen des Vorsitzenden bei der Prozessleitung sowie alle Fragen eines Mitglieds des Spruchkörpers in der mündlichen Verhandlung. Darunter ist auch die Güteverhandlung nach § 278 II zu verstehen. Im Falle von Maßnahmen des Vorsitzenden außerhalb der mündlichen Verhandlung vgl § 136 Rn 4. Die Norm ist in jeder Verfahrensart und in jedem Verfahrensstadium anzuwenden, soweit eine mündliche Verhandlung in Betracht kommt.
Der Gesichtspunkt der Sachleitung ist in einem umfassenden Sinn zu verstehen. Darunter fallen sowohl Fragen der formellen wie der materiellen Prozessleitung. Nicht zu § 140 gehören Maßnahmen der Sitzungspolizei.
§ 140 ist nur anwendbar bei zivilgerichtlichen Verfahren mit einem Spruchkörper, der aus mehreren Personen besteht. Beim AG in Zivilsachen sowie im Falle einer Entscheidung durch den originären oder den obligatorischen Einzelrichter sowie den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen gilt die Norm nicht.
C. Gegenstand und Berechtigung der Beanstandung.
Rn 3
Beanstandet werden können alle Anordnungen bzgl der Sachleitung (s.o. Rn 2) und alle Fragen eines Gerichtsmitglieds. Als Beanstandung ist es anzusehen, wenn ein Beteiligter zu erkennen gibt, dass er eine Anordnung oder eine Frage für unzulässig hält. Eines formellen Antrags bedarf es nicht. Dagegen genügt es nicht, wenn die beteiligte Person die Unzweckmäßigkeit oder die Unerheblichkeit einer Maßnahme oder Frage rügt. Ohne die Beanstandung eines Beteiligten kann das Gericht nicht vAw entscheiden. Im Hinblick auf § 295 muss eine Beanstandung in der mündlichen Verhandlung unmittelbar auf das gerügte Verhalten erfolgen.
D. Verfahren.
I. Antrag.
Rn 4
Ein förmlicher Antrag einer beteiligten Person muss nicht gestellt werden. Es genügt, dass eine Beanstandung durch das Vorbringen konkludent zum Ausdruck kommt. Zur Beanstandung berechtigt sind alle an der Verhandlung beteiligten Personen, also sowohl die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten als auch Streithelfer, Zeugen oder Sachverständige.
II. Entscheidung.
Rn 5
Die Entscheidung des Gerichts über die Beanstandung und ihre Berechtigung ergeht aufgrund der mündlichen Verhandlung durch Beschl, der zu verkünden ist (§ 329 I).
III. Rechtsmittel.
Rn 6
Gegen die Entscheidung des Gerichts kommt eine Beschwerde nicht in Betracht (BGHZ 109, 41, 43). Möglich ist jedoch eine Anfechtung der Entscheidung zusammen mit dem Endurteil (§§ 512, 557 II). Ist ein fehlerhaftes Verhalten des Gerichts durch die beteiligten Personen unbeanstandet geblieben, oder ist jedenfalls ein Beschl nach § 140 nicht herbeigeführt worden, so ist zu unterscheiden. Fehler iRd formellen Prozessleitung dürften in aller Regel unter § 295 fallen und sind daher nicht mehr angreifbar. Fehler der materiellen Prozessleitung, die sich im Endurteil niederschlagen, können ein Rechtsmittel aber begründen (Musielak/Voit/Stadler § 140 Rz 6; MüKoZPO/Wagner Rz 8).