Gesetzestext
(1) 1Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. 2Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.
(2) 1Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. 2Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) 1Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. 2Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. 3Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. 4Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. 5Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.
A. Entstehung und Problematik der Norm.
Rn 1
Die Anordnung einer Urkundenvorlegung nach § 142 hat das Gesetz schon immer gekannt. Allerdings ist diese Anordnung bis zum Jahre 2001 auf diejenigen Urkunden in der Hand einer Partei beschränkt gewesen, auf die sich diese Partei bezogen hatte. Damit war früher § 142 inhaltlich im Wesentlichen identisch mit § 423, wobei § 142 keinen Parteiantrag vorausgesetzt hat. Durch das ZPO-RG hat sich diese Rechtslage ab dem 1.1.02 insofern in zentraler Weise geändert, als nunmehr das Gericht vAw anordnen kann, dass eine Partei oder ein Dritter Urkunden und sonstige Unterlagen vorzulegen haben, auf die sich irgendeine Partei des Rechtsstreits bezogen hat. Die Problematik und die Brisanz dieser Regelung ist schon im Gesetzgebungsverfahren erkannt und diskutiert worden (Dombek BRAK-Mitt 01, 122; Steuer WM 00, 1889). Seither ist § 142 noch einmal im Jahre 2008 abgeändert worden (G v 30.10.08, BGBl I, 2122).
Die besondere Problematik der Norm in ihrem heutigen Gewande zeigt sich an drei verschiedenen Stellen. Zunächst war und ist es ein allgemein anerkannter Grundsatz im deutschen Recht, dass der Antrag auf Vorlegung einer Urkunde, die sich in den Händen des Beweisgegners befindet, voraussetzt, dass nach materiell-rechtlichen Vorschriften ein Herausgabeanspruch besteht (§ 422). Dieser Grundsatz ist durch § 423 bis heute dahingehend ergänzt, dass der Beweisgegner zur Vorlegung einer in seinen Händen befindlichen Urkunde dann verpflichtet ist, wenn er selbst sich im Prozess zur Beweisführung auf die Urkunde bezogen hat. Der neue § 142 schafft hier erstmals eine rein prozessuale Pflicht zur Urkundenvorlegung. Damit hat § 142 keinen materiell-rechtlichen Herausgabeanspruch zur Voraussetzung (BGHZ 173, 23 Rz 20; BGH MDR 19, 825 [BGH 26.03.2019 - VI ZR 163/17] Rz 15).
Diese prozessual verstandene Editionspflicht nach Abs 1 kann darüber hinaus als ein Schritt auf dem Weg zur generellen Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei verstanden werden (so in der Tat Schlosser JZ 03, 427 [BGH 02.05.2002 - I ZR 45/01] und FS Sonnenberger 04, 135; dagegen Prütting FS Nemeth 03, 703; Laumen FS Prütting 18, 391, 400).
Eine weitere Problematik der Norm ergibt sich daraus, dass sie erkennbar nicht an die Regeln der §§ 420 ff angepasst ist (Wagner JZ 07, 706; Binder ZZP 122, 187). Im selbstständigen Beweisverfahren ist § 142 nicht anwendbar (BGH MDR 17, 357; KG NJW 14, 85 [KG Berlin 10.04.2013 - 9 W 94/12]; Willer NJW 14, 22; aA u. § 492 Rn 2).
B. Normzweck und systematische Einordnung.
Rn 2
Die Norm steht in ihrer Fassung seit dem ZPO-RG 2002 in erkennbarem Zusammenhang mit dem Versuch des Gesetzgebers, die 1. Instanz zu stärken und die Rechtsmittelmöglichkeiten zu beschränken. Die Norm soll durch die Erweiterung von Editionspflichten die Aufklärungsmöglichkeiten von Gericht und Parteien erweitern. Sie hat damit freilich in mehrfacher Hinsicht systematische Probleme ausgelöst (s.o. Rn 1). Dies hat dazu geführt, dass Bedeutung und Anwendungsbereich der Norm bis heute heftig umstr sind.
Im Wesentlichen werden drei verschiedene Auffassungen vertreten. Nach einer ersten Auffassung soll sich § 142 nur auf solche Tatsachen beziehen, die zwischen den Parteien unstr sind. Die Vorschrift soll damit ausschließlich der Information des Gerichts bei Unklarheiten dienen. Die Norm sei also lediglich ein Instrument der Prozessleitung, während eine Beweiserhebung über streitige Tatsachen iRd Urkundenbeweises ausschließlich nach den §§ 415 ff erfolgen müsse (Gruber/Kießling ZZP 116, 305, 311; Zö/Greger § 142 Rz 1). Eine zweite Auffassung lehnt zwar die Einordnung von § 142 als reines Instrument der Prozessleitung ab und gibt der Norm Beweisqualität. Sie engt den Anwendungs...