Rn 11
Die Geltendmachung einer außerprozessual erklärten Aufrechnung im Prozess ist keine Prozesshandlung im engeren Sinne, sondern zunächst ein Verteidigungsvorbringen, das in einem Tatsachenvortrag besteht. Mithin muss die außerprozessual erklärte Aufrechnung nicht zwingend von den Parteien in das Verfahren eingeführt werden. Auch der Kl kann seinem eigenen Klagevorbringen durch den Vortrag einer außerprozessualen Aufrechnung die Grundlage entziehen. In den Grenzen des § 291 findet der Aufrechnungseinwand ohne Parteivorbringen Berücksichtigung.
a) Präklusion.
Rn 12
Wie jedes Tatsachenvorbringen unterliegt der Aufrechnungseinwand den Präklusionsvorschriften der §§ 282, 296. Umstritten ist, ob der Beklagte eine präkludierte außerprozessuale Aufrechnung in einem Folgeprozess geltend machen kann (so MüKoZPO/Fritsche § 145 Rz 27 f; Häsemeyer ZZP 118 [05], 280 ff, der die Auffassung vertritt, die Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils erfasse mit der Präklusion des Aufrechnungseinwands zugleich die Feststellung über den Fortbestand der Aufrechnungsforderung), oder ob er – ebenso wie bei der Präklusion des Erfüllungseinwandes – einen endgültigen Rechtsverlust erleidet (Zö/Greger Rz 15). Die erst genannte Auffassung ist vorzuziehen: Über die zur Aufrechnung gestellte Forderung wurde nicht entschieden. Es erscheint nicht interessengerecht, dass der Beklagte durch den Ausschluss des Aufrechnungseinwands nicht nur im Ausgangsprozess, sondern auch im Folgeprozess unterliegt. Zudem verhält sich der im Ausgangsprozess obsiegende Kl treuwidrig, wenn er sich in Kenntnis des erstrittenen Urteils, das den Aufrechnungseinwand unberücksichtigt ließ, im Folgeprozess darauf beruft, die geltend gemachte Forderung sei durch Aufrechnung erloschen (St/J/Leipold Rz 67). Die Präklusionsvorschriften wirken nicht über das konkrete Prozessrechtsverhältnis hinaus. Der Vergleich mit dem endgültigen Verlust des Erfüllungseinwandes trifft nicht den Kern. Denn auch im Falle des präkludierten Erfüllungseinwands kann der unterliegende Beklagte den präkludierten Erfüllungserfolg – soweit er etwa in einer Zahlung besteht – in einem Folgeprozess kondizieren.
b) Unsubstantiierte Sachverhaltsdarstellung.
Rn 13
Lässt die zur Aufrechnung gestellte Forderung eine hinreichende Individualisierung vermissen, so ist mit der Sachentscheidung über die Klageforderung keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Forderung verbunden (§ 322 Rn 71; Zö/Vollkommer § 322 Rz 18). Hier ist es dem Beklagten möglich, das Substantiierungsdefizit in einem Folge-(Aktiv)Prozess zu beheben. Anders ist zu entscheiden, wenn es dem Aufrechnenden nicht gelungen ist, die Begründetheit der hinreichend individualisierten Forderung substantiiert darzulegen. In diesem Fall entscheidet das Gericht in der Sache über die zur Aufrechnung gestellte Forderung, weshalb die Entscheidung gem § 322 II der Rechtskraft fähig ist (BGH NJW 94, 1538 [BGH 24.02.1994 - VII ZR 209/93]; Stuttg OLGR 01, 267). Dasselbe gilt, wenn der zur Substantiierung erforderliche Sachvortrag zu präkludieren ist. Auch hier wird die zur Aufrechnung gestellte Forderung in den Grenzen des § 322 II endgültig aberkannt (BGHZ 33, 242).