Rn 1
Mehrere bei demselben Gericht anhängige, nicht notwendigerweise rechtshängige Prozesse können ohne vorangehende mündliche Verhandlung (§ 128 IV) vAw durch Beschl des Gerichts miteinander verbunden werden. In den Fällen der § 518 S 2, §§ 246 III 6, 249 II, 250 III 1, 251 III, 253 II, 254 II 1, 257 II 1, 275 IV 1 AktG, §§ 51 III 5, 112 I 3 GenG ist die Verbindung zwingend vorgeschrieben. Eine Verbindung entscheidungsreifer Sachen ist dagegen unzulässig. Auch eine Verbindung von vorläufigem Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren scheidet aus, da sie zur Aussetzung des vorläufigen Rechtsschutzes führe. Mangels gleicher Prozessart kann ein Urkundenprozess nicht mit einem ordentlichen Verfahren, auch nicht mit einem im Nachverfahren befindlichen Prozess verbunden werden. In Ehesachen ist eine Verbindung mit anderen Verfahren unzulässig (§ 126 II FamFG).
I. Gleiches Gericht.
Rn 2
Die zu verbindenden Prozesse müssen bei demselben Gericht, nicht zwingend bei demselben Spruchkörper anhängig sein. Dennoch ist die spruchkörperübergreifende Verbindung außerhalb des Bereichs der zwingend vorgeschriebenen Verbindung in der Gerichtspraxis regelmäßig nur dann anzutreffen, wenn alle Beteiligten (Parteien und Gericht) mit der Verfahrensweise einverstanden sind. Dieses Einverständnis trägt den verfassungsrechtlichen Bedenken, wonach eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Verbindung dem Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 I 2 GG) nicht genüge (St/J/Leipold Rz 15; aA für Verfassungskonformität: B/L/H/A/G/Bünnigmann Rz 8; Fischer MDR 96, 240), hinreichend Rechnung. Nach BAG NZA 16, 1352 [BAG 21.09.2016 - 10 AZN 67/16] muss selbst bei Einverständnis der Beteiligten eine Prozessverbindung unterbleiben, wenn der Geschäftsverteilungsplan keine expliziten Regelungen zur spruchkörperübergreifenden Prozessverbindung enthält. Dies erscheint zweifelhaft: Die Option zur Prozessverbindung ist – anders als die bloße Abgabe einer Sache wegen Sachzusammenhangs – gesetzlich vorgesehen. Ihre Ausübung steht nach dem Wortlaut der Vorschrift und der Systematik des Regelungszusammenhangs im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und ist der Dispositionsbefugnis der Präsidien entzogen. Will ein Einzelrichter ein Verfahren mit einer Kammersache verbinden, muss die zu verbindende Kammersache zunächst dem Einzelrichter übertragen werden (§ 348a I). Umgekehrt kann zu einer Kammersache eine Einzelrichtersache nur dann verbunden werden, wenn der Einzelrichter die Sache nach § 348 III, § 348a II auf die Kammer überträgt (St/J/Leipold Rz 3). Auch kann die Kammer für Handelssachen einen vor der Zivilkammer geführten Rechtsstreit nicht hinzuverbinden. Handelt es sich bei dem vor der Zivilkammer geführten Rechtsstreit um eine Handelssache, so kann – sofern der Beklagte den nach § 98 I GVG erforderlichen Verweisungsantrag stellt – nach der Verweisung eine Verbindung vor der Handelskammer erfolgen (zum umgekehrten Fall: nach § 97 I GVG kann auf Antrag des Beklagten von der Handelskammer an die Zivilkammer verwiesen werden).
II. Rechtlicher Zusammenhang.
Rn 3
Der erforderliche rechtliche Zusammenhang ist nachgewiesen, wenn die geltend gemachten Forderungen auf ein gemeinsames Rechtsverhältnis zurückzuführen sind oder aus dem gleichen Rechtsverhältnis hervorgehen. Die Identität des den Streitgegenstand definierenden Lebenssachverhalts ist nicht erforderlich (zu den Einzelheiten s § 33 Rn 14). Darüber hinaus kommt die Verbindung in den Fällen der subjektiven und objektiven Klagehäufung in Betracht.
III. Wirkung.
Rn 4
Die Verfahren werden zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden. Damit bilden die ursprünglich getrennten Prozesse nach der Verbindung eine neue Einheit.
1. Prozessrollen und Beweisaufnahme.
Rn 5
Die Parteirollen sind nach der Verbindung anzupassen. Treten sich die Parteien in den Einzelverfahren wechselseitig als Kl und Bekl ggü, so ist eine der verbundenen Klagen als Widerklage fortzuführen. Dennoch ist eine Beweisaufnahme, die in nur einem der vor der Verbindung selbstständigen Verfahren durchgeführt wurde, nach der Verbindung für die Entscheidung des nunmehr einheitlichen Verfahrens nur mit Einverständnis der Parteien (§ 295) verwertbar (Wieczorek/Schütze/Smid Rz 18). Das Gericht ist daher gehalten, vor der Anordnung einer erneuten Beweisaufnahme die Notwendigkeit einer Wiederholung mit den Parteien zu erörtern. Wurde eine Partei des verbundenen Verfahrens zuvor in den Einzelverfahren als Zeuge gehört, so ist dessen Aussage nur dann zeugenschaftlich verwertbar, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache ausschließlich die weiteren Streitgenossen betrifft (BGH MDR 99, 48 [BGH 24.09.1998 - IX ZR 371/97]; BAG JZ 73, 188; Zö/Greger Rz 8; St/J/Leipold Rz 24; krit Wieczorek/Schütze/Smid Rz 16).
2. Zuständigkeitsstreitwert und Rechtsmittelsumme.
Rn 6
Obwohl sich der Zuständigkeitsstreitwert nach der Verbindung im Regelfall erhöht (Ausnahme bei wirtschaftlicher Identität der Ansprüche; vgl § 5 Rn 4), bleibt die aus den Einzelverfahren resultierende sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts erhalten. Nur dann, wenn den Prozessparteien der Vorwurf gemacht werden kann, durch willkürliche Zerlegun...