Dr. iur. Nina Franziska Marx
Rn 3
Sie ist eine Zweitschrift (meist Fotokopie oder zweiter Ausdruck), auf der bescheinigt ist, dass sie mit der Urschrift inhaltlich völlig übereinstimmt (vgl BAG NJW 15, 3533 [BAG 25.02.2015 - 5 AZR 849/13] Rz 35). Umfasst sie mehrere Blätter, kann die Beglaubigung auf einem mit der Abschrift derart verbundenen Blatt erfolgen, dass die Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist (zB Heftung, vgl BGH NJW 74, 1383, 1384 [BGH 27.05.1974 - VII ZB 5/74]). Der Beglaubigungsvermerk muss deutlich machen, dass alle Seiten bei der Beglaubigung vorgelegen haben und von ihr umfasst sein sollen (BGH NJW 04, 506, 507 f; NJW 17, 3721 [BGH 13.09.2017 - IV ZR 26/16] Rz 14f). Die Abschrift kann bei einem Urt abgekürzt sein, muss aber auch dann die Unterschriften der Richter umfassen (vgl im Einzelnen BGH Rpfleger 73, 15). Wird die Abschrift von einer Ausfertigung des Urteils erteilt (§ 317 II–V), muss sich dies aus dem Beglaubigungsvermerk ergeben. Zur Abschrift eines elektronischen Dokuments s § 317 III, § 298. Der Beglaubigungsvermerk muss handschriftlich unterschrieben sein (zu den Anforderungen an die Unterschrift vgl BGH NJW 85, 1227 [BGH 11.10.1984 - X ZB 11/84]). Beglaubigt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, muss dies erkennbar sein.
Rn 4
Ohne Beglaubigung ist die Zustellung unwirksam (BGH NJW 52, 934; BGHZ 55, 251, 252 = NJW 71, 659 mN; BGHZ 208, 255 Rz 13 = NJW 16, 1517; 19, 1374 Rz 11). Allerdings soll eine Heilung nach § 189 durch Zustellung einer (inhaltlich mit der Urschrift übereinstimmenden) einfachen Abschrift nach stRspr des BGH möglich sein (BGH NJW 19, 1374 Rz 13; 17, 3721 Rz 17 f; BGHZ 208, 255 Rz 14 ff = NJW 16, 1517; BGHZ 212, 264 Rz 21 f = WM 16, 2307; s.a. § 189 Rz 2). Tw wird dies für bedenklich erachtet, weil das Beglaubigungserfordernis die (vom Empfänger nicht überprüfbare) Authentizität des Schriftstücks belegen soll und auf diese Weise faktisch obsolet wird. § 169 ist im Einklang mit der Zielsetzung des Gesetzgebers grds weit auszulegen. Er hat den Sinn, die förmlichen Zustellungsvorschriften nicht zum Selbstzweck erstarren zu lassen, sondern die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig, nämlich durch tatsächlichen Zugang, erreicht wird. Der Zweck der Zustellung ist es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren (s zu alldem zB BGHZ 208, 255, 261 f = NJW 16, 1517 Rz 21; BGHZ 214, 294 = NJW 17, 2472, 2475 Rz 38 f.; NJW 17, 3721 Rz 18 und NJW-RR 18, 970, 973 Rz 27 jeweils mwN; NJW 19, 1374 Rz 13). Ist die Gelegenheit zur Kenntnisnahme für den Zustellungsadressaten gewährleistet und steht der tatsächliche Zugang des betreffenden Schriftstücks bei ihm fest, bedarf es daher besonderer Gründe, die Zustellungswirkung entgegen dem Wortlaut des § 169 nicht eintreten zu lassen (BGHZ 208, 255, 262 = NJW 16, 1517 Rz 22). Solche Gründe können etwa dann gegeben sein, wenn das Gesetz die Zustellung einer Ausfertigung vorsieht, um von vornherein jegliche Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit des zugestellten Schriftstücks auszuschließen (BGHZ 208, 255 = NJW 16, 1517; NJW 19, 1374 Rz 13).
Weicht die Abschrift von der Urschrift so ab, dass der Zustellungsempfänger den Inhalt der Urschrift in ihren für den Rechtsstreit wesentlichen Bestandteilen nicht mehr zweifelsfrei erkennen kann (zB weil eine Seite oder Anlage fehlt), so ist die Zustellung formungültig (BGH NJW 01, 1653, 1654; FamRZ 07, 372; NJW-RR 12, 179, 180 Rz 10). Allein das Fehlen des Verkündungs- oder Zustellungsvermerks auf dem zugestellten Schriftstück macht die Zustellung hingegen nicht unwirksam (BGHZ 8, 303, 304 = NJW 53, 622).