Gesetzestext
Wenn Personen an einem Ort unter Verhältnissen, die ihrer Natur nach auf einen Aufenthalt von längerer Dauer hinweisen, insbesondere als Hausgehilfen, Arbeiter, Gewerbegehilfen, Studierende, Schüler oder Lehrlinge sich aufhalten, so ist das Gericht des Aufenthaltsortes für alle Klagen zuständig, die gegen diese Personen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche erhoben werden.
A. Normzweck und dogmatische Einordnung.
Rn 1
§ 20 normiert einen besonderen Beklagtengerichtsstand, der dem Kl die Wahl eröffnet (§ 35), den Bekl auch außerhalb seines allg Gerichtsstandes zu verklagen. Entsprechend dem allg Zweck der besonderen Gerichtsstände, dem Kl in Fällen gesetzlich vermuteter praktischer Bedürfnisse die Rechtsverfolgung zu erleichtern, soll § 20 Klagen zur Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche an Orten ermöglichen, an denen der Bekl auf Grund seines längerfristigen Aufenthaltes in tatsächlicher Hinsicht häufiger als andernorts die Gelegenheit hat, auf den Rechtskreis Anderer einzuwirken und Rechtsverhältnisse vermögensrechtlicher Art zu begründen.
B. Tatbestandsmerkmale.
I. Beklagte Person.
Rn 2
Beklagte Person kann nach allgM nur eine natürliche, nicht aber eine juristische Person sein (MüKoZPO/Patzina § 20 Rz 2; Musielak/Heinrich § 20 Rz 2). Dies ergibt sich aus der beispielhaften Aufzählung möglicher Bekl im Gesetzestext sowie aus dem Umstand, dass der Begriff des ›Aufenthaltes‹ vom allg Sprachgebrauch her nur auf natürliche Personen abzielt. Eine analoge Anwendung des § 20 auf juristische Personen wird ebenfalls allg abgelehnt (St/J/Roth § 20 Rz 2), da angesichts des eindeutigen Wortlauts ein Versehen des Gesetzgebers und mithin eine ›planwidrige Regelungslücke‹ nicht in Betracht kommt. Für die Einschlägigkeit des § 20 spielt es keine Rolle, ob der Bekl Deutscher oder Ausländer ist oder ob er einen Wohnsitz im Ausland hat, da aus § 20 grds sowohl die örtliche Zuständigkeit als auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt (KG JurBüro 09, 208). Letzteres gilt nur vorbehaltlich des Eingreifens speziellerer international-zivilprozessrechtlicher Normen, die die internationale Zuständigkeit abw regeln. Insbesondere schließt die Anwendbarkeit der EuGVVO eine Begründung der internationalen Zuständigkeit durch § 20 aus, wenn der Bekl seinen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat hat (Art 4, 5, 7 ff, 62 EuGVVO; Zö/Schultzky § 20 Rz 4; BeckOKZPO/Toussaint § 20 Rz 7; St/J/Roth § 20 Rz 3), ebenso das LugÜ in seinem Anwendungsbereich (Art 2 Abs 1, Art 59 LugÜ; BeckOKZPO/Toussaint § 20 Rz 7). Schließlich ist § 20 auch auf Minderjährige anwendbar, wie bereits die im Gesetzestext verortete Aufzählung und § 57 II belegen. Mit der hM ist § 20 allerdings mit Blick auf die Wertungen des Minderjährigenrechts teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Norm bei Minderjährigen nur dann anwendbar ist, wenn deren Aufenthalt mit dem Willen des gesetzlichen Vertreters begründet wurde – Ausnahme: Aufenthaltsbegründung auf Grund staatlichen Zwangs, zB Haft – (St/J/Roth § 20 Rz 8f).
II. Bestehen eines Beklagtenwohnsitzes.
Rn 3
Nach allgM ist § 20 nur anwendbar, wenn der Bekl einen Wohnsitz hat, da es sich um einen Wahlgerichtsstand handelt. Beim Fehlen eines Beklagtenwohnsitzes, greift nicht § 20, sondern § 16 ein (Zö/Schultzky § 20 Rz 2). Der Tatbestand des § 20 ist demnach um das ungeschriebene Merkmal des ›Bestehens eines Beklagtenwohnsitzes‹ zu ergänzen.
III. Aufenthalt unter Verhältnissen, die ihrer Natur nach auf einen Aufenthalt von längerer Dauer hinweisen.
Rn 4
Der Wortlaut hebt auf die Verhältnisse zur Zeit der Aufenthaltsbegründung ab und stellt damit klar, dass die tatsächliche Dauer des Aufenthalts für die Anwendung des § 20 unerheblich, vielmehr die voraussichtliche Dauer ausschlaggebend ist. Die für die Begründung des Aufenthalts maßgeblichen Verhältnisse müssen auf mehr als nur auf einen vorübergehenden, kurzfristigen Aufenthalt schließen lassen, wobei der Gesetzestext einige Bsp hierfür exemplarisch anführt. Wiewohl die Entscheidung, ob ein Aufenthalt unter § 20 fällt, stets von den Umständen des Einzelfalls abhängt, kann man als Richtschnur angeben, dass der Aufenthalt mehr voraussetzt als nur einen kurzfristigen Aufenthalt gem § 16, indes weniger als einen gewöhnlichen Aufenthalt gem § 122 FamFG (vgl BeckOKZPO/Toussaint § 20 Rz 4). Dazu zählen Aufenthalte iRv saisongebundenen Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnissen zB in der Landwirtschaft (Erntehelfer bei der Weinlese usw) oder im Tourismussektor, Aufenthalte zu Ausbildungszwecken (zB mehrwöchige Praktika, Internat, Stagen im Referendariat, Auslandssemester), länger andauernde Aufenthalte in Gemeinschaftseinrichtungen wie zB Kur- oder Rehakliniken oder Maßregelvollzugsanstalten. Zu letzterer Fallgruppe gehört der Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt, der überdies verdeutlicht, dass es für die Anwendung des § 20 nicht darauf ankommt, ob der Aufenthalt freiwillig begründet wurde. Bejaht wurde das Eingreifen des § 20 vom BGH etwa bei länger andauernder Haft (BGH NJW 97, 1154 [BGH 21.01.1997 - X ARZ 1283/96]; München, Beschl v 1.7.16 – 34 AR 77/16, Rz 8 – juris), die er bei Haft von mehr als einem Jahr als gegeben ansah, ohne dabei indes eine Mindesthaftdauer vorzugeben. Weder ...