Rn 3
Eine Niederlassung iSd § 21 erfordert eine vom Bekl errichtete, auf seinen Namen und Rechnung betriebene Geschäftseinrichtung, deren Leitung das Recht hat, aus eigener Entscheidung ihr übertragene Geschäfte abzuschließen und die sich dadurch von einer Agentur zur Entgegennahme und Übermittlung von Vertragsofferten unterscheidet (BGH NJW 87, 3081, 3082 [BGH 13.07.1987 - II ZR 188/86]). Jedes dieser Definitionsmerkmale muss entweder tatsächlich oder auf Grund eines vom Bekl gesetzten äußeren Rechtsscheins vorliegen (BayObLG Beschl v 20.3.19 – 1 AR 6/19, Rz 10 – juris; BGH NJW 11, 2056 [BGH 18.01.2011 - X ZR 71/10]; Saarbr OLGR 04, 137; Hamm Beschl v 18.2.19 – 32 SA 9/19, Rz 26 – juris).
Rn 4
Die Niederlassung muss nach der vorgenannten, von der Rspr entwickelten Definition vom Inhaber errichtet worden sein, wobei es insoweit nur auf den äußeren Anschein ankommt (BayObLG Beschl v 20.3.19 – 1 AR 6/19, Rz 10 – juris; St/J/Roth § 21 Rz 11). Eine Niederlassung erfordert ferner im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 253 I) bestehende und bestimmungsgemäß genutzte, zur Entfaltung gewerblicher Tätigkeit geeignete, körperlich-gegenständliche (nicht bloß im Internet vorgehaltene: Fricke VersR 01, 925, 933f) Betriebseinrichtungen (wie zB Geschäftslokal; Büroräume) zum Zwecke eines Tätigwerdens von nicht ganz vorübergehender Dauer (München AnwBl 89, 294). Demnach scheiden Messe- oder Marktstände mangels hinreichender Betriebsdauer nach ganz hM als Niederlassung aus (Musielak/Heinrich § 21 Rz 2).
Rn 5
Schwierigkeiten bereitet das Merkmal der Berechtigung zum eigenständigen Geschäftsabschluss. Die Befugnisübertragung darf nicht nur rein formal darin bestehen, von der Geschäftsführung bis ins Detail vorgegebene Entscheidungen mit Außenwirkung zu vollziehen, sondern muss neben der Abschluss- auch die Entschließungszuständigkeit beinhalten (Ddorf NJW-RR 89, 432, 433 [OLG Düsseldorf 26.01.1988 - 4 U 190/87]), die sich in regionaler und/oder inhaltlicher Hinsicht wenigstens auf einen Teilbereich der vom Bekl ausgeübten Geschäftstätigkeit (wie zB bei Zweigstellen oder Filialen von Banken: Geschäftsstellen für das Geschäfts- oder Firmenkundengeschäft) beziehen muss. Dies ist evident bei der Hauptniederlassung eines Unternehmens, bedarf indes bei Zweigniederlassungen stets einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Dabei scheiden gelegentliche oder untergeordnete Geschäfte, die nur der Aufrechterhaltung des eigentlichen Geschäftsbetriebs dienen (wie zB Kauf von Büroutensilien, Einstellung und Entlassung von Arbeitskräften, Aufträge zur Wartung von Betriebsfahrzeugen usw), aus (München OLGR 01, 254; Hamm VersR 09, 1345, 1346; Brandenbg, Beschl v 14.6.16 – 1 [Z] Sa 18/16, Rz 14 – juris). Vielmehr geht es um die eigentliche Geschäftstätigkeit des Unternehmens bzw von Teilbereichen desselben. Die einzelfallbezogen zu entscheidende Frage, ob eine Verkaufs- bzw Vertriebseinrichtung zum Absatz von Waren oder Dienstleistungen an Endkunden Selbstständigkeit aufweist, beurteilt sich gemessen am Maßstab des äußeren Anscheins (Hamm VersR 09, 1345, 1346 [OLG Hamm 20.05.2009 - 20 U 110/08]) danach, ob die organisatorisch vorgegebene Gestaltung des Verkaufsvorgangs, die äußere Gestaltung des Geschäftslokals und/oder das angebotene Sortiment den Vertragsabschluss als das Ergebnis von individueller Beratung und Verhandlung (ggf auch nur bzgl einzelner Konditionen wie zB Rabatt-/Skontogewährung, Gewährung von Zugaben, Kulanzleistungen etc) oder als von bis ins Detail von der Geschäftsführung vorgegebenen, ›mechanischen‹ Geschäftsvorgängen erscheinen lassen. Dementsprechend werden einfache Verkaufsstätten wie zB SB-Warenhäuser oder ›Filialen‹ überregionaler Unternehmen, die etwa Friseurdienstleistungen oder Kaffee/Tee nebst permanent wechselnder Mischsortimente, Drogerieartikel, Parfums etc verkaufen, regelmäßig nicht als Niederlassungen in Betracht kommen, während dies häufig bei zum eigenständigen Vertragsschluss befugten ›Shops‹ von Mobilfunkunternehmen (AG Frankfurt/Oder NJW-RR 01, 276, 277 [AG Frankfurt an der Oder 14.07.2000 - 2.2 C 307/00]), ›Auto- oder Möbelhäusern‹, bei in bestimmten Größenordnungen selbstständig entscheidungsbefugten, örtlichen Geschäftsstellen überörtlich agierender Banken und – je nach Wertigkeit des Produktes – bei Verkaufsstätten zum Absatz vom Unternehmen selbst hergestellter Produkte zu bejahen sein wird (Zö/Schultzky § 21 Rz 8f). Kraft zurechenbaren Rechtsscheins kann eine Niederlassung auch durch die Art der Zweigstellenbezeichnung (zB eigene Firma unter einer ›Dachbezeichnung‹), die Gestaltung von Vertragsformularen oder Handelsregistereintragungen (AG Düsseldorf RRa 10, 232 [AG Düsseldorf 08.07.2009 - 25 C 663/09]) zu einer selbstständigen Niederlassung werden. Die Zweigstellenbezeichnung begründet den Rechtsschein der Selbstständigkeit, wenn mit ihr nach dem allg Sprachgebrauch oder der Verkehrserwartung eine gewisse Entscheidungskompetenz oder eine übergeordnete Stellung im Organisationsgefüge des Unternehmens verknüpf...